Start Politik Jugendmedienschutz: Medienanstalten watschen Giffeys Entwurf ab (Update)

Jugendmedienschutz: Medienanstalten watschen Giffeys Entwurf ab (Update)

0
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) - Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) - Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

Der Widerstand gegen den Jugendmedienschutz-Gesetzentwurf von Franziska Giffey wächst: Die Medienanstalten warnen vor „teuren Doppelstrukturen“.

Update vom 11. März 2020: In einer neuerlichen Stellungnahme fordern die Medienanstalten eine „umfassende Verbesserung der vorgesehenen Schutzlösungen und die Beseitigung kompetenzrechtlicher Schieflagen.“ Der DLM-Vorsitzende Wolfgang Kreißig fordert den Bund auf, den vorgelegten Entwurf nachzujustieren: „Mit dem nun vorgelegten Entwurf eines novellierten Jugendschutzgesetzes wird die große Chance verpasst, eine Brücke zwischen der Bundes- und Länderregulierung zu schlagen und den Weg für einen konvergenten Jugendmedienschutz zu ebnen. Eine nachhaltige Verbesserung des Kinder- und Jugendmedienschutzes kann so nicht gelingen.“

Kreißig warnt insbesondere vor einer Verwässerung gelernter Alterskennzeichen, sollten Interaktionsmöglichkeiten – etwa Chats – einfließen. Um diese Risiken abzufedern, plädieren die Medienanstalten vielmehr für technische Voreinstellungen, die nur von Erziehungsberechtigten freigeschaltet werden könnten. Geräte- und Software-Hersteller sowie Betriebssystem-Anbieter müssten verpflichtet werden, entsprechende Funktionen werksseitig zu verbauen.

Abermals kritisieren die Medienanstalten eine Bundeszuständigkeit in Form einer „Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz“, die einer XXL-Version der heutigen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) entspricht und organisatorisch beim Bundesfamilienministerium aufgehangen wäre. Giffeys Vorschlag würde sowohl verfassungs- als auch europarechtliche Vorgaben mit Blick auf die Staatsferne verletzen.

Das neue Jugendschutzgesetz war auch Thema beim Parlamentarischen Abend des Branchenverbands Game in der Berliner Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz am gestrigen Dienstag (Zusammenfassung).

Meldung vom 25. Februar 2020: Seit Dezember 2019 ist der Entwurf für eine Reform des Jugendmedienschutzgesetzes auf dem Markt. Mit dem neuen Gesetz will Familienministerin Franziska Giffey (SPD) insbesondere Kinder und Jugendliche besser vor Risiken und Nebenwirkungen neuer Medien schützen, etwa mit Blick auf Gewalt und Cybermobbing. Online-Plattformen würden zu kindgerechten Voreinstellungen sowie zum Ausbau von Melde- und Beschwerdesystemen verpflichtet. Auch die Alterskennzeichnung von Online-Spielen soll neu geregelt werden.

Als überordnete Behörde soll eine Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz entstehen – eine Art Bundesprüfstelle 2.0.

Just dieser Punkt hat seit Dezember zu einem Mix aus Empörung und Protest geführt. Denn Jugendschutz ist Ländersache – dort fürchtet man um den Verlust erworbener Pfründe. Siegfried Schneider, Chef der bayerischen Landesmedienanstalt, nannte Giffeys Entwurf „unzureichend“. Eine staatliche Medienaufsicht widerspreche der von EU-Recht vorgegebenen Staatsferne.

Ähnlich argumentiert heute die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM): Die geplante Bundesbehörde würde verfassungs- und europarechtliche Vorgabe unterlaufen. Aus Sicht des DLM-Vorsitzenden Wolfgang Kreißig wurde versäumt, bestehende Institutionen zu stärken.

„Das Europarecht lässt keinerlei Spielraum für eine staatlich kontrollierte Medienaufsicht und das muss auch so sein, um staatlicher Zensur keine Chance zu geben“, betont der DLM-Europabeauftragte Tobias Schmid. „Vielmehr benötigen wir gesetzliche Grundlagen, um ausländische Plattformanbieter zur Gewährleistung von Kinder- und Jugendschutz in die Pflicht nehmen zu können. Solange es keine modernen Instrumentarien, wie beispielsweise umfassende Auskunftsansprüche gibt, wird es keine Weiterentwicklung des Jugendschutzes bringen.“

In Summe brächte der Entwurf „kein Mehr an Kinder- und Jugendschutz“. Die Medienanstalten fordern Bund und Länder auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Insbesondere „teure Doppelstrukturen“ müssten vermieden werden.

Auch der Industrieverband Game lehnt den Entwurf der Familienministerin in der jetzigen Form ab und spricht von einem „deutlichen Rückschritt“.

Ob Familienministerin Giffey Gelegenheit erhält, ihr XXL-Reformprojekt „Jugendmedienschutzgesetz“ umzusetzen, ist unklar. Der SPD-Politikerin werden Ambitionen auf den Sessel des Regierenden Bürgermeisters von Berlin nachgesagt – dort wird 2021 gewählt.