In atemberaubendem Tempo geraten US-Medien unter Druck der Trump-Administration – erste Tiefausläufer erreichen die Games-Industrie.
Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,
die Ereignisse der abgelaufenen Woche haben mal wieder vor Augen geführt, wie kompliziert, anstrengend und schlechterdings unmöglich es ist, die Politik aus Kunst und Kultur rauszuhalten.
Abzulesen an den USA, dem gelobten Land der Presse- und Meinungsfreiheit, wo der Präsident nicht nur die New York Times auf 15 Milliarden Dollar verklagt, sondern aktiv in die Programmgestaltung von Privatsendern eingreift. Auf seinen Social-Media-Kanälen gratulierte Trump dem Disney-Sender ABC zur Absetzung von Jimmy Kimmel Live: Schließlich habe der Late-Night-Talker „ZERO talent“ – die Einschaltquoten seien sogar noch niedriger als im Falle von Stephen Colbert, dessen Show ebenfalls abgesetzt worden war.
Zwei Tage zuvor hatte Kimmel entlang seiner Standup-Einlage geunkt, die ‚MAGA-Gang‘ (gemeint ist Trumps Make America Great Again-Bewegung) schlage politisches Kapital aus dem Mord an Charlie Kirk. Der Chef der Medienaufsicht forderte den Sender daraufhin auf, er möge Lösungen für Fälle wie diesen finden – andernfalls gäbe es eben „mehr Arbeit“ für die Aufsicht. Motto: Dinge können kaputt gehen.
Einige Stunden später war Kimmel seinen Job los.
Noch während des Rückflugs von seinem Staatsbesuch in London dachte Trump laut über den Entzug von Sendelizenzen nach. Das wirkt disziplinierend. Man ahnt: More to come.
Im Netz formiert sich seitdem erstens Solidarität mit Kimmel und zweitens Protest gegen den ABC-Mutterkonzern Disney, der wegen akuter Rückgratlosigkeit dringend gecancelt werden müsse. Wie immer lassen sich für Gratis-Mut besonders einfach Like-Herzchen abholen – sei es durch die Kündigung des Disney+-Abos oder den Verzicht auf den 999-€-LEGO-Todesstern. Nimm dies, 200-Mrd.-$-Market-Cap-Mäuse-Konzern!

Nun liegt es nahe, sich umgehend über die ungeheuerlichen Entwicklungen in den USA zu empören. Doch wie so oft ist man geneigt, zunächst das Kehren vor der eigenen Haustür anzuregen.
What about etwa the öffentlich-rechtlicher Rundfunk? Wussten Sie, dass dem ZDF-Fernsehrat unter anderem Bundes- und Landesminister und Staatskanzlei-Chefs angehören? Und dass im Verwaltungsrat des Bayerischen Rundfunks wie selbstverständlich die Landtagspräsidentin und die Präsidentin des Verwaltungsgerichtshofs sitzen?
Unterjährig müssen die Anstalten und Redaktionen jederzeit damit rechnen, dass ihnen die Politik perspektivisch den Geldhahn auf- und zudreht. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will neuerdings die Gebühren einfrieren – und so sanften Druck ausüben, Ausgewogenheit und Meinungsfreiheit zu befördern. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) verbittet sich jedwede Einmischung und spricht von „purer Erpressung“.
Unterdessen droht Linnemanns Fraktions-Kollege Bilger mit dem deutschen Boykott des irrsinnig unpolitischen Eurovision Song Contest – und zwar für den Fall, dass Israel ausgeschlossen würde. Umgekehrt wollen Irland, die Niederlande und Spanien absagen, sollte das Land teilnehmen dürfen. Der ESC – immerhin das weltgrößte Musikereignis – steht vor der Zerreißprobe.
Wir lernen: Kunst und Kultur sind ungefähr so unpolitisch wie der Fußball.
Und in der Games-Industrie? Mindestens in Deutschland sieht sich die Politik seit Jahrzehnten dem Vorwurf der unangemessenen Einflussnahme ausgesetzt – bis hin zur Zensur, die ja laut Grundgesetz nicht stattfindet.
Natürlich greift der Staat nicht selbst aktiv in den Code ein. Dessen ungeachtet gibt es einen gut bestückten Werkzeugkasten mit Instrumenten, die richtig weh tun – und die Produktion und den Vertrieb einzelner Waren und Dienstleistungen mindestens ausbremsen oder ganz verhindern.
Nichts hat dem Games-Standort so sehr geschadet wie die ideologisch verhärmte ‚Killerspiel-Debatte‘. Das Damoklesschwert der Indizierung sorgt nach wie vor dafür, dass rustikale Erwachsenen-Spiele wie Dead Island 2 und Dying Light: The Beast nahezu überall auf der Welt ohne Einschränkungen angeboten werden können – für den (wichtigen) deutschen Markt wird weiterhin eine Extrawurst gebraten.
Bis vor wenigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass ein Action-Abenteuer wie Indiana Jones und der Große Kreis serienmäßig mit Hakenkreuzen ausgeliefert wird – wie es in der Filmvorlage seit bummelig 40 Jahren der Fall ist. Mag sein, dass dafür schon immer die rechtliche Grundlage fehlte. Doch allein das wirtschaftliche und potenziell strafrechtliche Rest-Risiko ließ Spielehersteller den Pfad des vorauseilenden Gehorsams beschreiten.
Gleichwohl kann die Games-Branche nicht ohne die Politik: Dass sich EU, Bund und Länder ‚einmischen‘, ist nicht nur erwünscht, sondern gewollt. Es geht um Hunderte Millionen Euro an Subventionen – ohne die es manches Studio nicht (beziehungsweise: nicht mehr) gäbe. Dafür nimmt man in Kauf, dass Behörden entlang individueller Richtlinien festlegen, was förderungswürdig ist – und was nicht. Herzensanliegen wie die E-Sport-Gemeinnützigkeit, die künftig auf Finanzamt-Ebene entschieden werden, funktionieren natürlich erst recht nicht ohne die Politik. Preisgelder und Verleihung des amtlichen Computerspielpreises lässt sich das Gewerbe komplett vom Staat sponsern.
Mit Blick auf die unversöhnlichen Staaten von Amerika wird es Anfang Oktober spannend: Im Nachgang zum Attentat auf Charlie Kirk hat der Ausschuss für ‚Oversight and Accountability‘ im US-Repräsentantenhaus unter anderem Valve-Boss Gabe Newell vorgeladen. Zusammen mit den Chefs von Discord, Reddit und der Amazon-Sparte Twitch soll sich der Steam-Betreiber für die kolportierte Radikalisierung auf Online-Plattformen rechtfertigen – und erläutern, welche Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
Der Brief endet mit dem Hinweis, dass Untersuchungen jedweder Art zu jedwedem Zeitpunkt möglich seien – „Thank you in advance for your cooperation with this inquiry.“
Mein Gefühl: Die Entertainment-Branche kann sich warm anziehen – Winter is coming.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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Ich lese täglich von links nach rechts und von oben nach unten und finde überall die ganz eigene „Ausgewogenheit“ – je nach Medium, je nach politischer oder moralischer Ausrichtung, wo man als Leser eigentlich einleitend schon vorgewarnt werden müsste: „Vorsicht! Ideologie!“.
Hier passiert das überhaupt nicht. Selten.
Klasse Artikel, kurz, auf den Punkt und auch inhaltlich finde ich (leider) nichts zu kritisieren.
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