
Die E-Sport-Gemeinnützigkeit kommt (sehr wahrscheinlich). Es war ein langer, steiniger Weg – und ein Lehrstück über Resilienz im Politikbetrieb.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
mal angenommen, Sie sind leitender Angestellter eines größeren Betriebs – und mit der Gesamtsituation unzufrieden. Es geht nix voran. Die zuständigen Fachabteilungen bauen Mist, halten ihre Zusagen nicht ein, verzögern fahrlässig Projekte. In ihrer Verzweiflung starten Sie eine öffentlichkeitswirksame Unterschriften-Aktion, die dafür wirbt, dass angekündigte Vorhaben endlich seriös umgesetzt werden.
Und jetzt stellen Sie sich für zwei Sekunden vor, was die Nummer mit Ihrem Chef macht. Und mit Ihren Karriereplänen.
Genau das ist im November 2020 passiert, also im Spätherbst des Kabinetts Merkel IV. Die renitente Mitarbeiterin hieß Dorothee Bär, war Digital-Staatsministerien im Kanzleramt und Vorsitzende des Arbeitskreises CSUnet. Ihre Petition trug den Namen ‚Level Up Now‘ und hatte das Ziel, ein Koalitionsvertrags-Versprechen umzusetzen – nämlich die vollständige Anerkennung von E-Sport als eigene Sportart.
Nun fällt Sport in die Zuständigkeit des Innenministeriums. Der Endgegner hieß deshalb Horst Seehofer, ebenfalls von der CSU. Nach fünf Wochen waren 350 Unterschriften im Kasten – das Projekt verlief im Sande, zumal kurz darauf der Bundestagswahlkampf startete.
Fast fünf Jahre später: Seehofer ist in Rente – Bär Bundes-Forschungsministerin. Und ihre Behörde war am Mittwoch gegen Mittag die erste, die per vorbereiteter Social-Media-Kachel rausposaunte: „E-Sport als gemeinnützig anerkannt.“
In der Praxis bedeutet das: E-Sport-Vereine können demnächst einen Antrag beim Finanzamt stellen, der steuerliche Vorteile und Zugang zu Fördermitteln freischaltet – unter anderem. Fast noch wichtiger ist aber die politische Anerkennung der Ehrenamtlichen.

Dieser bemerkenswerte Etappen-Sieg – mehr ist es noch nicht, weil der Schriftsatz noch durch Bundestag und Bundesrat muss – hat ganz viele Architekten an ganz vielen Stellen. Für diesen „Meilenstein“ war ein mindestens zehnjähriger Anlauf vonnöten, inklusive ungezählter Rückschläge, Positionspapiere, Anhörungen, Gutachten, Podiumsdiskussionen und erbitterter Auseinandersetzungen mit dem um Fördertöpfe und Relevanz besorgten Olympischen Sportbund.
2020 hatte der Lobbyverband eine PR-Strecke im Fachblatt Micky Maus gebucht. Donald Duck gab seinen Neffen den Tipp: „Geht lieber raus und treibt richtigen Sport! Die Daddelbox macht euch nur schlapp und träge.“ 2023 titelte der DOSB auf Plakaten mit dem Slogan: „Zusammen das Spiel rocken statt alleine zu zocken.“
Nur damit Sie mal einen Eindruck von den Windmühlen bekommen, gegen die gekämpft wurde.
Auf den politischen Gamescom-‚Elefantenrunden‘ entwickelte sich das Thema Gemeinnützigkeit zum zuverlässigen Bullshit-Bingo-Treffer. Im August tönte der damalige FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai (FDP? Die Freien Demokraten? Sie erinnern sich?): Wenn man sich nächstes Jahr an gleicher Stelle träfe, sei das Thema durch. 12 Monate später war aber immer noch nichts passiert. „Wie gehe ich mit den Aussagen von damals um? Vielleicht komme ich nächstes Jahr nicht.“
Noch im Sommer 2024 scheiterte FDP-Finanzminister Christian Lindner an der Aufgabe, den E-Sport im damaligen Steuerfortentwicklungsgesetz (SteFeG) zu verankern. Was dazu geführt hätte, dass das Gesetz schon zum 1. Januar 2025 in Kraft getreten wäre.
Frei nach dem Fanta-4-Motto: „Es könnt‘ alles so einfach sein … isses aber nich’“
Beweisstück 2: Entlang der rein digitalen Covid-Gamescom 2020 kündigte Lars Klingbeil – damals Generalsekretär – an, das Finanzministerium unter Leitung eines gewissen Olaf Scholz werde einen probaten Vorschlag unterbreiten. CDU und CSU waren prinzipiell einverstanden – vorausgesetzt, mit E-Sport sind ausschließlich virtuelle Sportspiele gemeint, also FIFA (heute EA Sports FC), Basketball, Tennis, Golf. Außen vor wären demzufolge Fortnite, Counter-Strike, League of Legends, all sowas.
Genosse Klingbeil fand das schon damals doof – und Bär auch, was sie zur eingangs erwähnten Petition veranlasste.
Klingbeil ist mittlerweile 47 (ebenso wie Bär), SPD-Chef, Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland – und mit Blick auf die Gemeinnützigkeit fast noch wichtiger: Finanzminister. Mit der Lizenz für Steueränderungsgesetze.
Bis vor einer Woche sah es so aus, als ob sein Gesetzentwurf „mehr Probleme schaffen als lösen“ würde, wie es die Verbände in einer gemeinsamen Erklärung formulierten. Doch übers Wochenende ist es dann mit Hilfe kundiger Stellen doch noch gelungen, die gröbsten Kanten abzuschleifen. Und deshalb wurde am Mittwoch bei der Kabinettssitzung im Kanzleramt eine Version 2.0 beschlossen, die alle glücklich macht.
Nun könnte man den Vorgang als These heranziehen, dass schon alles gut wird mit dem Gaming und dem E-Sport, wenn in der Bundes- und Landespolitik nur hinreichend junge Leute nachreifen und die Silberrücken ablösen.
Ich halte das für einen frommen Wunsch – und streng genommen eine Mär.
Lindner (Baujahr 1979) hat es hinbekommen, auf Verbands-Sommerfesten freihändig die Stichworte Zak McKracken und Wing Commander unterzubringen, aber dann eben nicht zu liefern, als es darauf ankam.
Als Fraktions-Chef hatte Lindner im Juni 2021 einen Bundestags-Antrag (PDF) eingebracht, der die Groko dazu bewegen sollte, die Gemeinnützigkeit in die Abgabenordnung aufzunehmen. Also genau das, was jetzt vor ein paar Tagen passiert ist. Als er es qua Amt hätte entscheiden und durchsetzen können, war das Thema plötzlich doch nicht nicht mehr so wichtig.
Will sagen: Es kommt immer auf die handelnden Personen an – nicht auf die Partei. Und erst recht nicht auf das Alter, das im Personalausweis steht.
Die E-Sport-Gemeinnützigkeit ist im Übrigen Teil eines größeren Pakets, das die Gastro-Steuer schrumpfen und die Pendlerpauschale steigen lässt. Hier drohen noch lebhafte Debatten im Parlament. Dass das Gesetz scheitert, ist aber aber eher nicht zu erwarten, weil die regierende CDU-CSU-SPD-Koalition potenzielle Einwände der Opposition ignorieren kann (und wird).
Ab dem 1. Januar 2026 könnte dann endlich Rechtssicherheit herrschen – für bestehende, aber auch für noch zu gründende E-Sport-Vereine und -abteilungen. In vielen Ecken des Landes stehen Ehrenamtliche und Finanzämter in den Startlöchern.
Und ganz ehrlich: Ich bin dann auch ganz froh, wenn das Thema, welches mich seit GamesWirtschaft-Gründung anno 2016 begleitet, endlich vom Eis ist.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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