Start Meinung Die Games-Branche kann keine Krisen-PR (Fröhlich am Freitag)

Die Games-Branche kann keine Krisen-PR (Fröhlich am Freitag)

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Schon wieder so ein nichtssagender KI-Aufmacher - Thema heute: Krisen-PR (Abbildung KI-generiert)
Schon wieder so ein nichtssagender KI-Aufmacher - Thema heute: Krisen-PR (Abbildung KI-generiert)

Auch Unternehmen haben das Recht zu schweigen. Und sie machen davon immer öfter Gebrauch, wie das Beispiel Microsoft vor Augen führt.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

ich wünschte, es gäbe erfreulichere Themen. Wirklich. Aber wir müssen dann doch noch mal über die Causa Microsoft sprechen.

Denn der US-Konzern lässt seit nunmehr eineinhalb Wochen die Berichterstattung rund um die jüngste Entlassungswelle samt Studio-Schließungen, Rücktritten und Spiele-Stopps komplett unkommentiert laufen. Inklusive aller Unschärfen und Spekulationen. Und unter billigender Inkaufnahme von Kollateralschäden an Marke und Reputation (mehr dazu in dieser Kolumne).

Das geht so nicht. Was sollen die Leute denken?

Vom Xbox-Management kommt nichts außer dröhnendem Schweigen. Der letzte X-Beitrag von Phil Spencer stammt vom 23. Juni. Zumindest beim aufkommenden Geraune, der Gaming-CEO stünde zeitnah vor dem Abgang, musste daher dann doch mal der Chief Communications Officer persönlich reingrätschen: Kompletter Mumpitz sei das, unseriös, bar jeder Grundlage.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Die faktisch nicht vorhandene Krisen-PR von Microsoft ist symptomatisch – und typisch für eine Branche, die jederzeit freihändig ihre Social-Media-Logos gegen Regenbogen-Versionen ein- und auswechseln kann, aber nicht in der Lage ist, in ruppigeren Zeiten sauber zu kommunizieren. Beziehungsweise: überhaupt zu kommunizieren.

Bis heute fand etwa die Einstellung von Perfect Dark und Everwild auf den offiziellen Kanälen keine Erwähnung. Wer den dazugehörigen Studio-/Google-Links folgt, landet auf der Xbox-Startseite. Als habe es die dazugehörigen Beschäftigten, Studios, Spiele nie gegeben. Was mehr über Respekt und Wertschätzung verrät als jedes salbungsvolle Rundschreiben.

Offenbar gibt es die zarte Hoffnung, es sei damit getan, über Bande zu spielen: Denn die üblichen ‚internen‘ Mails des Top-Managements an die Belegschaft sind ja sehr gezielt so formuliert, dass sie jederzeit auch extern ‚funktionieren‘ – in dem Wissen, dass ein Durchschlag quasi in Echtzeit im Eingangs-Körbchen von Bloomberg, The Verge & Co. landet. Und von dort dann im Netz.

Natürlich gibt es keinen gottgegebenen Anspruch von Außenstehenden, die näheren Umstände wirtschaftlicher oder personeller Entscheidungen zu erfahren (zumal ja oft auch börsen-relevante Fragen eine Rolle spielen). Ungleich größer ist das Interesse daran, dass buntes PR-Konfetti auf möglichst breiter Front medialen Niederschlag findet – etwa die Botschaft, dass über das ID @ Xbox-Programm seit 2013 mehr als 5 Milliarden Dollar an Indie-Studios ausgeschüttet wurden.

Nach 30+ Jahren in dieser Industrie würde ich sagen: Die allerwenigsten Unternehmen haben so etwas Ähnliches wie Souveränität (oder wie man im Profi-Fußball sagt: Eier) entwickelt, sich in den Wind zu stellen, Klartext zu reden und sich abseits von Pressemitteilungen öffentlich zu verhalten. Mittlerweile sind wir soweit, dass schon Petitessen genügen, um den Mörtel für No-comment-Firewalls anzurühren.

Eine Mauer, gegen die man jeden einzelnen Tag rennt. In prosperierenden Zeiten ist es exakt kein Problem, konkrete Daten und Einschätzungen zu bekommen: Ab- und Umsätze, Belegschafts-Entwicklung, Nutzerzahlen, Status Quo einzelner Projekte und Studios, Personalien, Förderung, you name it. Aber versuchen Sie das mal in nicht so guten Zeiten.

Die Folge: Um wirklich jedes Risiko zu minimieren, ein Fettnäpfchen zu touchieren, wird im Zweifel überhaupt nix mehr gesagt und überhaupt nicht mehr reagiert.

Wie gesagt: Unternehmen und Unternehmer haben das Recht, zu schweigen. Schließlich kann (und wird) alles, was sie sagen, von Mitbewerbern, Kunden und Medien gegen sie verwendet werden. Nur: Wenn etwa mit Blick auf die kolportierte Team-Halbierung bei Turn 10 Studios kein schnelles, hartes Dementi erfolgt, muss sich niemand wundern, wenn sich die Kundschaft um die Zukunft der Marke Forza Motorsport sorgt.

Und wenn selbst die engsten Alliierten unter den Influencern ein leichtes Unwohlsein in der Magengegend verspüren, muss doch irgendwann mal die Erkenntnis reinkicken, dass man sich nicht unter einem Stein verkriechen kann, bis sich der Pulverdampf verzogen hat.

Müsste ich drauf tippen, was als Nächstes passiert, würde ich vermuten, dass zeitnah ein vorproduziertes „We hear you“-Video auf Sendung geht, dessen Aussagen von Corporate Communication, Investor Relations und Legal Department rundgeschliffen wurden wie ein Flusskiesel. Vielleicht kommt auch ein Feelgood-‚Interview‘ mit einem stichwort-gebenden Konzern-Podcaster.

Ungleich vertrauensbildender wäre es, wenn sich Phil Spencer, Sarah Bond oder andere Was-zu-sagen-Haber unabgestimmten Fragen eines US-Journalisten stellen und bei dieser Gelegenheit einfach mal stumpf darlegen, wie sie auf die Gemengelage blicken und wie sie sich die kommenden Monate und Jahre so vorgestellt haben. Wär‘ ja mal interessant.

Um das komplette Bild zu zeichnen: Die Darstellung, dass Microsoft so gar nix rauslässt, ist nicht ganz zutreffend. Denn auf Nachfrage wurde in dieser Woche tatsächlich ein Statement übermittelt, und zwar dieses:

„Wir setzen die organisatorischen und personellen Änderungen fort, die nötig sind, damit das Unternehmen und die Teams in einem dynamischen Markt erfolgreich sein können.“

Ich hab‘ ein gutes Gefühl.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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4 Kommentare

  1. Warum sollten denn Phil Spencer oder Sarah Bond aus dem Nähkästchen plausern? Wär interessant, klar, aber was bringts? Nur potenzielle Fettnäpfchen und unterm Strich kostets Nerven und Geld – und bei den Summen, die da rumgeschleudert werden gehts halt nicht mehr mit nerdy terdy Ringelpietz. Zumal „sich in den Wind zu stellen“ am Ende des Tages keine Konsole und kein Gamepass Abo mehr verkauft. Sich auf ominöses „Vertrauen“ zu stützen, welches gebildet wird, wäre am Ende des Tages dann im besten Fall ein wenig arg naiv.

    Und am Ende: Wer sich um Forza Motorsport sorgt, hätte besser zugegriffen in der Vergangenheit. Wenn das Angebot nicht genug Nachfrage generieren konnte… tjanu, das scheint keine branchenspezifische Problematik zu sein. Aber vielleicht helfen ein paar Förderfonds 😀

    • Danke für das Feedback. Bzgl. ‚Nähkästchen‘: Es geht nicht um Gossip, wie er derzeit leider bei Krafton zu besichtigen ist.

      Sondern um die Frage, wie sich der größte Spiele-Publisher der westlichen Hemisphäre positioniert. Da schauen alle drauf: Belegschaft, Aktionäre, Partner. Gerade für Studios und Publisher in der DACH-Region ist Microsoft ja ein immens wichtiger Faktor. Eine Entwicklung à la Romero Games braucht kein Mensch.

      Sehr grundsätzlich ist es sicher nicht zu viel verlangt, wenn nach lautstarker Ankündigung und Promotion entlang von Messen und Showcases auch ein etwaiger Projekt-Stopp seriös kommuniziert wird. Mit einem ‚Exit‘ tut sich die Branche unwahrscheinlich schwer – gibt ungezählte Beispiele.

      Petra
      GamesWirtschaft

      • Was wären denn persönliche Einschätzungen und Meinungen einzelner Akteure anderes als aus dem Nähkästchen zu plaudern oder eben Gossip? Das ist jetzt eher ein semantisches/rabulistisches (je nach Welt- und Menschenbild) Problem. Der grundlegende Impetus mg zwar veständlich sein, ist aber nicht wirklich nachvollziehbar, zumindest aus meiner Warte. „An Ihren Taten, nicht Worten, sollt ihr sie messen“ (nicht wörtliches Zitat) hat sich sehr bewährt als Beurteilungsmechanismus und diese sprechen, nicht zuletzt auch in der DACH-Region, dann auch für sich. Muss und kann nicht jedem gefallen, aber ist nunmal so und wird sich auch eher unwahrscheinlich ändern, weil bewährt. Es interessiert am Ende des Tages auch zu wenige wirklich, als dass solche News zu mehr taugen würden als TOPs auf Earnings Calls und ne schnelle Schlagzeile. Wenns einen selbst trifft, mei on to the next one.

        Ein derart exklusiv auf Personenkult und verblichenen Meriten aufgebautes Ding wie Romero Games ist vorsichtig gesagt auch eher behutsam zu betrachten und weniger für die random gamesklitsche in DACH relevant (bewusst „flapsig“ aber weniger wertend gemeint ls es klingt).

        • Das Allermindeste an ‚Krisen-PR‘ (und ja, Aussitzen ist natürlich immer eine Option, weil es oft genug funktioniert) wäre zumindest die Botschaft, welche Projekte nun mangels Belegschaft nicht mehr erscheinen. Dazu gibt es immer noch keine Auskunft. Wenn bei einem Studio wie Zenimax Online das nächste MMORPG kippt, ist das keine Kleinigkeit.

          Dass es „zu wenige“ interessiert, ist mE zu kurz gesprungen – allein mit Blick auf die $-Wetten, die MS im Gaming-Segment eingeht. Die strategischen Kooperationen (s. AMD) und die Game Pass-Strategie ergeben ja nur Sinn, wenn man auch Inhalte (hier: First-Party-Ware) hat. Ansonsten könnte man sich den Hardware-/Plattform-Klimbim sparen und sich in der Rolle des Publishers einrichten.

          Das Beispiel Romero Games bezieht sich nicht auf das konkrete Produkt, sondern auf die Belastbarkeit und Nachhaltigkeit jedweder Kooperation – etwa mit Blick auf Day-1-Releases, ID @ Xbox oder Integrationen im Game Pass. Studios und Publisher brauchen Planungssicherheit, hört man.

          Petra
          GamesWirtschaft

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