
125 Mio. € hat der Bund im kommenden Jahr für Deutschlands Games-Entwickler eingeplant. Die Branche muss sich daran messen lassen.
Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,
sofern Sie diese launige Kolumne regelmäßig verfolgen, erinnern Sie sich womöglich an eine Episode vom März: Darin hatte ich über die marode Zirndorfer Brücke berichtet, die den nahegelegenen Rhein-Main-Donau-Kanal überspannt. Jahrzehntelang hat man den überfälligen Neubau durch stetes Das-muss-das-Boot-abkönnen-Flickschustern vor sich hergeschoben – mutmaßlich in der irrigen Hoffnung, dass sich die veranschlagten Baukosten perspektivisch durch Einsatz von Magie halbieren würden.
Um die Belastung für den 50er-Jahre-Sichtbeton zu reduzieren, wurde zunächst eine Tempo-30-Zone und schließlich ein Fahrverbot für Transporter, LKWs und Busse erlassen.
Die eigens dafür errichteten Höhenbegrenzungen verfehlten ihre Wirkung komplett. Vielmehr führte eine verheerende Kombi aus Vorsatz, Wurschtigkeit und Selbstüberschätzung dazu, dass die Dinger nahezu täglich über den Haufen gefahren wurden. Kaum waren die Flatterband-Blinklicht-Stahlgerippe notdürftig restauriert, wiederholte sich das Schauspiel erneut. An exakt keiner Stelle war auch nur der Ansatz eines Lerneffekts erkennbar.

Seit einigen Tagen gibt es fantastische Neuigkeiten: Wegen akuter Gefahr für Leib und Leben hat der Stadtrat die Brücke endgültig sperren lassen. Zuvor hatten die Ingenieure gefährliche Schwingungen registriert. Mehr noch: Weil das Bauwerk eine ganz ähnliche Substanz wie die Carolabrücke in Dresden aufweist, könnten die tonnenschweren Fahrbahnen jederzeit einstürzen. Vorwarnungslos. Was eine mittelgute Nachricht wäre, falls in diesem Moment gerade ein Flusskreuzschiff entlang schippert.
Jetzt muss das Bauwerk zwangsläufig früher abgerissen werden als geplant – bis zur Eröffnung einer neuen, tragfähigen Lösung werden mindestens fünf Jahre vergehen. Der Berufsverkehr verteilt sich bis dahin sehr gleichmäßig auf anderweitige Überquerungen.
Die Zirndorfer Brücke ist damit ein weiteres Sinnbild dafür, wie die Statik des Landes allmählich unter den Füßen wegbröselt – Rente, Pflege, Bildung, Automobil-Bau, you name it.
Das gilt auch für Deutschlands Games-Industrie, die nach zwischenzeitlichem Corona- und Gründer-Boom in schwerem Fahrwasser unterwegs ist. Nach einer Auswertung von Games-Career-Seismograph Achim Quinke arbeiten heute weniger Menschen in Studios und Publishern als vor zehn Jahren – keine Neugründung der letzten fünf Jahre beschäftigt mehr als 30 Personen.
Wie kann das sein? Wo doch Deutschlands erfolgreichster Verkehrsminister ever auf seinen letzten Amtszeit-Metern prophezeit hatte, dass mit der Games-Förderung ein weiterer Master-Plan aufgegangen sei.
In der darauf folgenden Ampel-Ära wurde die Computerspiele-Industrie drei Jahre lang erfolgreich verwaltet – ohne neue Impulse zu setzen. Der zuständige Fachbegriff lautet „verstetigen“. Sehr gerne hätte sich etwa der zuständige Wirtschaftsminister (Habeck, Sie erinnern sich?) des Themas angenommen – wäre da nicht eine Gasmangellage dazwischen gekommen.
Quasi als Abschlusszeugnis hat sich der Bundesrechnungshof angeschaut, inwieweit mehrere hundert Millionen Euro an Spiele-Subventionen sinnvoll investiert waren. Mit dem Ergebnis, dass die Förderung als solche in Frage gestellt wurde – Zuständigkeiten, Vergabe-Praxis, Wirkungsgrad.
Ministerium und Verband reagierten auf diesen Befund verschnupft bis gereizt, zumal die Fördertöpfe zu diesem Zeitpunkt ja ohnehin leer waren. Erst kurz vor der Gamescom 2025 wurde der Antrags-Stopp aufgehoben: Seitdem übernimmt der Bund wieder zwischen 25 und 50 Prozent der Entwicklungskosten. Die Mittel fließen zwar ab, aber spärlich.
Für Nachschub ist jedenfalls gesorgt: Am heutigen Freitag hat der Bundestag den Einzelplan 30 abschließend beraten und beschlossen. Der Etat der für Games zuständigen Forschungsministerin Dorothee Bär umfasst fast 24 Milliarden Euro – vom BAföG über Kernfusion und Quantencomputing bis hin zur Mondfahrt.
Für die Games-Förderung, den Computerspielpreis und das Standort-Marketing sind 125 Mio. € eingeplant. Entlang der berüchtigten Bereinigungssitzung – die in der Vergangenheit schon für manche Überraschung gut war – haben die Haushälter sogar 400.000 € für die Berliner Konferenz Womenize bereitgestellt. Deren Ziel: Frauen in der Games-Industrie sichtbar zu machen, worauf ausgerechnet ein Mann (genauer: der SPD-Games-Beauftragte Holger Mann) in der Bundestagsdebatte hinwies.
Mehrere Rednerinnen und Redner haben im Parlament die Erwartung formuliert, dass Forschung und Investitionen streng wissenschafts-basiert erfolgen sollen – Klima, Medizin, Energie. Ich würde gerne hinzufügen: Games.
Beispiel: Der Marktanteil deutscher Computerspiele wird seit 2020 nicht mehr ausgewiesen – damals waren es 4,2 Prozent. Dabei lautet das erklärte Ziel der Bundesregierung, „Deutschland zu einem Leitmarkt für Computerspiele zu entwickeln und den Produktionsstandort international wettbewerbsfähig zu machen.“ So steht es wortwörtlich auf Seite 1.143 von 3.449 in Klingbeils Haushalts-Entwurfs-Konvolut.
Dieses Ziel wurde bislang noch nicht erreicht. Erst in dieser Woche hat Ubisoft Blue Byte-Chef Benedikt Grindel angemahnt, sich ehrlich zu machen: Die deutsche Games-Branche habe weiterhin nicht die Größe und Relevanz, die der Bedeutung des hiesigen Marktes entspricht.
Der großzügig bemessene Games-Etat bietet nun eine weitere Chance, die fragile Statik des Ökosystems zu verbessern. Dazu bräuchte es aber endlich eine belastbare Datenlage – und die Bereitschaft, sich an klaren Kennzahlen messen zu lassen. Denn nur so lässt sich die Tragfähigkeit von Brücken und Förder-Instrumenten seriös bewerten.
Das ist keine Raketenwissenschaft, sondern eine Selbstverständlichkeit.
Ein gemütliches Advents-Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
GamesWirtschaft-Newsletter jetzt kostenlos abonnieren!
Social Media: LinkedIn ● Facebook ● X ● Threads ● Bluesky












