
Steam ändert die Spielregeln – dagegen formiert sich lauter Widerstand. Eine Petition fordert nun: „Save games from censorship“.
Update vom 5. August 2025: Die Debatte um das gezielte ‚Delisting‘ von Games auf großen Plattformen hält an: Der Kreditkarten-Riese MasterCard hat nun eigens eine Stellungnahme veröffentlicht und sieht sich zu Unrecht im Visier der Kritiker. Wörtlich heißt es: „Entgegen der Medienberichte und Anschuldigungen hat MasterCard kein einziges Spiel einer Prüfung unterzogen oder Einschränkungen mit Blick auf Spiele-Websites und -Plattformen eingefordert.“
Die Zahlungsabwicklung erfolge entlang der gesetzlichen Vorschriften: „Einfach gesagt: Wir erlauben alle gesetzeskonformen Käufe über unsere Systeme.“ Gleichzeitig erwarte man von den Händlern, dass gesetzeswidrige Käufe (inklusive illegaler Erwachsenen-Inhalte) mithilfe angemessener Kontrollen unterbunden werden.
Gegenüber PC Gamer wehrt sich Steam-Betreiber Valve gegen diese Darstellung: MasterCard habe zwar nicht mit Valve direkt kommuniziert, aber mindestens indirekt Druck ausgeübt – und zwar über Dienstleister, die mögliche Reputations-Schäden an der Marke MasterCard fürchten.
Meldung vom 31. Juli 2025: Computerspiele vor Willkür und (Selbst-)Zensur zu schützen – so lautet das Anliegen einer Petition auf Change.org, die allein in den ersten 48 Stunden mehr als 1.500 Unterstützer unterschrieben haben. Mittlerweile steht der Pegelstand bei über 1.800.
Zu den Erstunterzeichnern von „Save games from censorship“ gehören branchenbekannte Köpfe – etwa die Journalistin und Aktivistin Nina Kiel, die Games-Professorinnen Lena Falkenhagen und Mareike Ottrand, Womenize-Macherin Madeleine Egger, EGDF-Präsident Hendrik Lesser und viele weitere Spiele-Designer, Gründer, Journalisten und Wissenschaftler.
Anlass ist die Entwicklung, wonach führende Vertriebs-Plattformen wie Steam und itch.io ihre Richtlinien nachschärfen und/oder Spiele aus dem Sortiment nehmen – vorgeblich auf Druck systemrelevanter Zahlungs-Dienstleister wie PayPal, Visa und MasterCard.
Die Initiatoren der Petition fordern, dass die Vorgaben von Privatunternehmen nicht über gesetzliche Regelungen hinaus gehen dürfen. Genau darauf zielt aber beispielsweise die Ergänzung der Steam-Richtlinien ab, die untersagen, dass „bestimmte Arten von nicht jugendfreien Inhalten“ veröffentlicht werden. Was genau damit gemeint ist: unklar.
‚Save Games from Censorship‘: Großer Zuspruch für Petition
Overblocking und Delisting sind Risiken, die nicht nur die Existenz einzelner Studios gefährden. Die Sorge der Szene geht weit darüber hinaus: Werden bestimmte Themen – etwa sexuell explizite Inhalte, auch und gerade im LGBTQIA+-Kontext – verbannt? Und was heißt das nachgelagert für Demokratie, Kreativität, Vielfalt und Diversität, die ja gerade die Games-Industrie für sich in Anspruch nimmt?
Auf Anfrage von GamesWirtschaft erklärt Petitions-Initiatorin Nina Kiel: „Dieses Thema geht alle Menschen an, die Games entwickeln, vertreiben, spielen, oder schlicht der Überzeugung sind, dass Kunst-, Meinungs- und Ausdrucksfreiheit hohe Güter sind, die unbedingt geschützt werden müssen. Denn was zunächst ’nur‘ dieses eine Medium und Produkte mit bestimmten Inhalten betrifft, kann schnell zum gefährlichen Präzedenzfall werden.“
Erklärtes Ziel der Petition: MasterCard, Visa, Paypal, Stripe und andere Unternehmen sollen ihrer vornehmlichen Rolle als Zahlungsabwickler nachkommen und als neutrale Vermittler zwischen Anbietern und Konsument auftreten. Kiel: „Die zuletzt erfolgten Änderungen der Nutzungsbedingungen von Steam und itch.io müssen rückgängig gemacht werden.“
Branchenverbände sollen Druck aufbauen
„Save games from censorship“ erfährt breite Unterstützung – auch vom deutschen Branchenverband. Game-Geschäftsführer Felix Falk sieht die künstlerische Freiheit von Spiele-Entwicklern als „elementar für das Kulturmedium Games“. Einschränkungen dieser Freiheit dürften von Dienstleistern oder Plattformen nicht über die gesetzlichen Grenzen hinausgehen.
Falk verweist in diesem Zusammenhang auf die Rolle der verbandseigenen Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), die etablierte Regelungen praktiziert. Der Verband fordert die Unternehmen auf, die Angebote so auszugestalten, dass Overblocking verhindert wird.
Nina Kiel hält das Verbands-Statement für einen ersten, wichtigen Schritt. Gleichwohl sei es nicht ausreichend, die Situation nur zu „beobachten“ und nicht ins Handeln zu kommen. „Sämtliche großen Industrieverbände müssen Kontakt zu den Zahlungsdienstleistern aufnehmen und klar machen, dass die bisherige Form der Einflussnahme inakzeptabel ist und sofort ein Ende finden muss“, so Kiel. „Gaming ist ein riesiger Branchenzweig mit Marktmacht, diese kann gezielt genutzt werden, um Druck aufzubauen.“
Auf der Petitions-Website wurde daher ein vorformuliertes Schreiben an den Game-Verband veröffentlicht.
Ungleich konkreter, proaktiver und ausführlicher fällt die Reaktion des International Game Developers Association (IGDA) aus: Die Interessensvertretung fordert von den Plattformen klare Spielregeln, Transparenz, faire Verwarn-Fristen, unabhängige Gremien und die Möglichkeit des Einspruchs.
Beitrag wird laufend aktualisiert
https://itch.io/t/5133739/our-update-on-the-uk-online-safety-act – zum Thema Altersverifikation in UK.
Kaum schreib ich es, sehe ich, das itch.io in England die Seiten für erwachsene Inhalte GENERELL sperrt, wegen des UK Online Safety Acts, bis sie einen Age Verification Provider haben.
https://itch.io/t/5133739/our-update-on-the-uk-online-safety-act
Mark my words: Wenn das in UK in den nächsten Monaten „funktioniert“, wird die EU das ganz schnell auch haben wollen, technische Schritte dafür werden ja gemacht.
Wer inzwischen den Stand der Diskussion bei Stripe und Co verfolgt, sieht ja, das man da einer großen Ente aufgesessen ist, und die Initiatoren dieser Petitionen hätten einfach mal jemanden fragen sollen, der sich mit Payments auskennt.
Das Problem ist, das die handelsüblichen Payment Provider zu den preiswerten Konditionen keine „High Risk Merchants“ abwickeln wollen. High Risk ist unter anderem Glückspiel (Online-Casinos) und Porno, aber auch dubiose Blockchain-Investments und ähnliches. Die kann man schon auch per Kreditkarte abrechnen, aber zu deutlich ungünstigeren Konditionen. Und wenn man Stripe (dem Payment Processor von itch.io) vor zehn Jahren gesagt hat „Wir haben nur Spiele“ und die dann kommen und sagen „Ihr habt auch Porno – wir müssen euch in eine deutlich teurere Kategorie einstufen (oder können eure Zahlungen nicht mehr abwicklen)“, dann schaltet man schnell den fragwürdigen Content ab, denn wenn das Payment Processing auf einmal DEUTLICH teurer wird, bricht das enge Geschäftsmodell von itch.io zusammen. Und Valve guckt sowieso auf jeden einzelnen Cent.
Kurioserweise hat das noch nicht mal unbedingt mit den Inhalten zu tun. Die Einstufung „High Risk“ kommt daher, weil in dem Bereich viel mehr Lug und Betrug unterwegs ist. Tatsächlich probieren Menschen häufiger gestohlene Kreditkarten auf dieser Art von Webseiten aus – deswegen ist das Processing teurer.
Es hätte ja allen Initiatoren der Petition schon auffallen können, dass es auf diversen Portalen mit Inhalten für Erwachsene weiterhin möglich ist, mit Kreditkarte zu bezahlen. Okay, dazu hätte man entweder selber mal nachgucken müssen oder in die Internet-Suchmaschine seiner Wahl „Adult Content Credit Card Processing“ eintippen müssen. Aber es ist ja einfacher, ohne Recherche jemanden zu beschuldigen, die Spieleindustrie kaputt machen zu wollen – das Muster kennen wir ja auch schon seit vielen Jahren.
Denn: Zumindest bei itch/Stripe sieht es so aus als ob itch einfach ignoriert hätte, was sie laut Vertrag zu diesen Konditionen gar nicht verkaufen dürfen. Das ist Pech oder Leichtsinn, aber keine Kampagne der Konservativen Rechten.
Spannend auch, das mit dieser Diskussion geschickt von der kommenden Altersverifikations-Katastrophe abgelenkt wird. Fast zeitgleich haben Dienste wie X und sogar Spotify angefangen, ihre Inhalte deutlich zu filtern wenn der Benutzer in EU/UK nicht altersverifiziert ist. Wer in England ein Eminem Album auf Spotify hören will, braucht jetzt einen Gesichtsscan. Raten Sie mal, wie lange es dauert, bis das für Computerspiele gefordert wird? Wenn GTA6 sich weiter verzögert, rast es genau in eine Altersverifikations-Katastrophe hinein.
Wir fassen also zusammen: Weil große Unternehmen mit Milliarden gewinnen ein paar Euro verlieren könnten, dürfen sie bestimmen was und in welchem Umfang wo verkauft wird? Das damit so Sachen wie Sichtbarkeit kleiner Entwickler auf Steam zusätzlich verloren geht kommt noch on Top. Und weil Menschen das ankreiden sind sie einer Ente aufgesessen? Turbo Kapitalismus hurra!
Lieber Boris,
leider demonstrierst Du mit Deinen sehr ausführlichen Kommentaren genau jenes Verhalten, das Du mir und den anderen Initiator*innen der Petition aus unerfindlichen Gründen vorwirfst: Anstatt Dich weiterführend mit meiner/unserer Arbeit und unseren Beweggründen auseinanderzusetzen, unterstellst Du uns öffentlich, wir würden „ohne Recherche jemanden […] beschuldigen“. Jeder, der mein Vorgehen kennt – bzw. sich die Mühe macht, sich in Vorbereitung auf eine kritische Reaktion damit kurz zu befassen – weiß, dass ich extrem gründlich arbeite und mich grundsätzlich nie ohne vorherige Recherche zu Sachverhalten äußere. Das zeigen übrigens unter anderem auch die in der Petition verlinkten Quellen. All die von Dir genannten Punkte sind mir/uns übrigens bekannt.
Ich finde sehr schade, dass Du diesen Weg und Modus für Feedback gewählt hast, anstatt einfach Kontakt mit uns aufzunehmen. So hätten sich die zahlreichen Irrtümer kollegial und konstruktiv aufklären lassen.
Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende,
Nina
Liebes Moderations-Team,
ich wäre dankbar, wenn mein vor einigen Stunden verfasster Kommentar zeitnah freigeschaltet würde, damit die oben geäußerten Vorwürfe nicht mehr unwidersprochen stehen bleiben.
Herzliche Grüße,
Nina Kiel
Kommentarfunktion ist geschlossen.