Neben Gier, Geiz und Angst eignet sich Ungeduld ganz hervorragend zur Monetarisierung – wie sich auch in der Games-Industrie besichtigen lässt.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
Sie haben es möglicherweise an der reduzierten Taktfrequenz auf der Website gemerkt: Ich urlaube. Der Laptop reist natürlich mit – und damit auch der berufliche Alltag, wenn auch mit gebremstem Schaum. Phasenweise ruht der Betrieb sogar komplett.
Apropos gebremster Schaum: Den Mittwoch habe ich bei angenehmen 25 Grad im Strömungskanal des marktführenden Wasserparks verbracht, bräsig durch’s Unterholz treibend auf einem Plastikring – zusammen mit mehreren tausend anderen Individual-Urlaubern. Ein Traum.
Deutlich mehr Zeit in Anspruch nahmen die Warteschlangen an den Rutschanlagen, wo man mit 40, 50, 60 Sachen in Zweier-Bobs oder Vierer-Inseln angemessen kreischend durch Röhren, Steilhänge, Kurven und Kreisel geschossen wird.
Vor den Zugangsbereichen und entlang der Treppenaufgänge bildeten sich lange Schlangen: Mindestens 30 Minuten musste man pro Station einkalkulieren, teils waren es 45 Minuten aufwärts – und mehr als einmal fragte ich mich, wie das wohl in der Hauptsaison im Juli oder August aussehen mag.
Wer diese Wartezeiten drastisch abkürzen möchte, kann einen Fast-Pass erwerben, wie er auch in Freizeitparks üblich ist. Kostenpunkt: 38 € pro Person – was den Park-Eintrittspreis fast verdoppelt. Das Armbändchen schaltet eine gesonderte Warteschlange frei, in der man sich federnden Schrittes am Pöbel vorbei bewegen und binnen weniger Minuten die Fahrt antreten kann. Kein Schnäppchen, aber ein fairer Deal, möchte man meinen – schließlich lässt sich so deutlich mehr Zeit im Wasser als außerhalb verbringen.
Dieser Upselling-Ansatz bildet einigermaßen präzise das Free2Play-Business ab: Geld wird gegen Zeit getauscht. Durch den Einsatz von In-Game-Währung – Münzen, Taler, Diamanten, was auch immer – lassen sich nicht nur Zusatz-Features aktivieren, sondern vor allem Vorgänge messbar beschleunigen und abkürzen.
Der entscheidende Unterschied: Im Freizeitpark sind die physischen Kapazitäten nun mal endlich – und damit auch die Zahl der maximal ausgegebenen Fast-Pässe. Wären sie unlimitiert, würde das VIP-Erlebnis spürbar geschmälert, weil sich die Fast-Pass-Schlange perspektivisch der Pöbel-Schlange annähert.
Ähnliches gilt für Sport-Events und Konzerte: Auch wenn Coldplay zehn Mal am Stück im Wembley-Stadion auftritt, passen halt jeweils nur so-und-so-viele tausend Leute in den Bereich vor der Bühne, wo das Ticket eben signifikant mehr Pfund kostet als unterm Tribünendach. Immer öfter kommt Dynamic Pricing zum Einsatz, wodurch die Veranstalter die Schmerzgrenzen des Konzert-Publikums zart austesten.
Anders bei digitalen Produkten wie Games, die sich ja faktisch ins Unendliche skalieren lassen. Und wo es für das mehr oder minder lästige Ausbremsen in den allermeisten Fällen exakt keine spieldesign-technische Begründung gibt – sondern allein die Notwendigkeit, auskömmliche Renditen zu erzielen, um Büros, Personal und Performance Marketing bezahlen zu können.
‚Geduld‘ wird in der Games-Industrie mit absurd großem Erfolg monetarisiert – siehe Vorab-Zugänge. Wer sich etwa die EA Sports FC 26 Ultimate Edition für 110 € gönnt, darf sieben Tage früher losspielen als der 79,99-€-Standard-Kunde.
In vielen Vorstands-Etagen – gerade von börsennotierten Spiele-Firmen – ist Geduld indes eine eher seltene Ressource, wie übereilte Releases zeigen. Jüngstes Beispiel: US-Medien haben herausgefunden, dass die Microsoft-Konzernspitze zeitnah höhere Renditen von der Xbox-Sparte einfordert. Was immerhin eine plausible Erklärung für die Preise-hoch-Kosten-runter-Personal-raus-Stunts der vergangenen Monate liefert.
Einen allzeit stabilen Geduldsfaden und ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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