
Die neue Verwertungsgesellschaft der Computerspiele-Hersteller (VHG) ist keine „Games-GEMA“. Auf Industrie und Kunden könnten trotzdem höhere Kosten zukommen.
Ein glühwein-seliger Weihnachtsmarkt ohne Last Christmas, Feliz Navidad und Jingle Bells? Dieses traurige Schicksal bleibt Deutschlands Innenstädten erspart – dank eines Last-Minute-Entgegenkommens der GEMA, die den chronisch klammen Kommunen einen Sonderrabatt für besinnliche Live- und Hintergrundmusik einräumt. Trotzdem fallen selbst für mittelgroße Veranstaltungen rasch hohe fünfstellige Gebühren an.
Die GEMA ist eine von 13 deutschen Verwertungsgesellschaften, die Schutzrechte von Urhebern geltend macht – ‚geltend‘ im Sinne von: zu Geld machen. In diesem Fall sind es Musiker, Produzenten, Texter und Komponisten. Wann immer die Weihnachtsbäckerei öffentlich aufgeführt wird (egal ob Radio, TV, Kita-Fest oder Firmenfeier), ist demzufolge Bescherung im Hause Zuckowski.
Vergleichbare Gesellschaften gibt es für viele andere Gewerke, etwa Regisseure, Synchronsprecher, Kostümbildner, Autoren und „Produzenten von erotischen und pornographischen Filmen“.
Ganz neu hinzugekommen ist nun die Verwertungsgesellschaft für Hersteller von Games, kurz: VHG. Die Mitglieder des Lobby-Verbands Game haben im Dezember 2022 mehrheitlich dafür gestimmt. Schließlich fallen auch für private Zwecke erstellte Screenshots, Video-Schnipsel, E-Sport-Mitschnitte und ganze Letsplays unter die Definition einer (völlig legalen) ‚Privatkopie‘.
Zweieinhalb Jahre hat der Genehmigungsprozess gedauert – erst in der vergangenen Woche kam grünes Licht von der Aufsichtsbehörde, dem Deutschen Patent- und Markenamt (DMPA). Die Meldung stieß in der Branche auf einen Mix aus Erleichterung und Euphorie, denn die VHG verspricht den Spieleherstellern risikolose und bürokratie-arme Zusatz-Erlöse.
Ungleich humorloser fällt die Reaktion bei der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) aus, in der sich neun große Verwertungsgesellschaften zusammengeschlossen haben. Man habe die Entscheidung „zur Kenntnis genommen“, heißt es auf GamesWirtschaft-Anfrage.
Neue Verwertungsgesellschaft: Games-Hersteller beanspruchen Beteiligung an Privatkopie-Vergütung
Die ZPÜ-Zurückhaltung mag daran liegen, dass der Einnahmen-Kuchen nicht größer wird – stattdessen gibt es nun eine zusätzliche Branche, die partizipieren möchte. Sprich: Alle kriegen anteilig weniger als zuvor.
Dieser Kuchen setzt sich zusammen aus den Gebühren von Hardware-Herstellern: Denn beim Kauf von Laptops, USB-Sticks, DVD-Brennern, Tablets oder Smartwatches zahlen Verbraucher eine Abgabe in unterschiedlicher Höhe. Bei einem Handy sind es 6,25 €, bei Set-Top-Boxen 12 € und bei einem Gaming-PC rund 13 €. Das läppert sich. Zuletzt kamen fast 60 Mio. € zusammen.
Die Computerspiele-Industrie legt Wert darauf, dass Gamer durch die Gründung der VHG keinen Cent zusätzlich bezahlen – weshalb die VHG auch keine „GEMA für Spiele-Entwickler“ ist, wie verschiedentlich zu lesen war. Das ohnehin vorhandene Geld wird schlichtweg an mehr Empfänger verteilt.
Gleichwohl wollen (und werden) Publisher und Studios künftig mitverdienen – und zwar bei jedem Computer, bei jedem Smartphone, bei jeder Festplatte, die über den Ladentisch geht. Genau zu diesem Zweck hat die Games-Branche schließlich eine Verwertungsgesellschaft überhaupt erst gegründet.
Kommt die Privatkopie-Abgabe für Spielkonsolen?
Eine Ausnahme bilden ausgerechnet Spielkonsolen. Bis jetzt. Die ZPÜ ist nämlich wild entschlossen, künftig auch Sony (PlayStation), Nintendo (Switch) und Microsoft (Xbox) zur Kasse zu bitten. Vorsichtshalber wurden im Juni erstmals Absatzzahlen für die zurückliegenden Jahre abgefragt. Betroffen wären explizit auch Handhelds wie das ROG Xbox Ally, Lenovo Legion und das Steam Deck von Valve.
Das erklärte Ziel der ZPÜ lautet: ein neuer, eigener Tarif für Spielkonsolen – der den besagten Gebührenkuchen automatisch vergrößern würde.
Ob es dazu kommt, ist offen. Mit Blick auf Cloud-Anbieter ist die ZPÜ erst im August vor dem Bundesgerichtshof gescheitert, weil es sich bei Dropbox, iCloud oder Google Drive aus Sicht der Richter nicht um Speichermedien im Sinne des Gesetzes handelt.
Bei Spielkonsolen dürfte der Fall anders liegen – schließlich sind in den Geräten ja aus guten Gründen SSD-Festplatten und Anschlüsse für physische Speichermedien (USB, MicroSD etc.) verbaut, die neben Spieldaten auch explizit Bilder und Videos speichern können und sollen.
Die Konsolenhersteller müssten entscheiden, ob – und wenn ja: in welcher Höhe – sie die Zusatzbelastung an die Käufer von PlayStation 5, Switch 2, ROG Xbox Ally & Co. weiterreichen. Es geht um sehr viel Geld: Allein Sony Interactive verkauft in Deutschland mehr als eine Million PlayStation-Konsolen pro Jahr.
Die zusätzlichen Abgaben, die von der ZPÜ bei Hardware-Herstellern einzutreiben wären, würden in diesem Fall allerdings nicht branchen-intern an die Software-Produzenten umverteilt. Der Grund: Die Game-Mitglieder (darunter Sony, Microsoft, Nintendo, Valve, Nvidia usw.) haben sich im VHG-Vertragswerk explizit darauf verständigt, dass Konsolen nicht unter die „Privatkopieschranke“ fallen sollen.
Bedeutet: Sollte der Konsolen-Tarif tatsächlich kommen, würden davon ausschließlich Urheber (Produzenten, Game-Designer, Grafiker, Autoren, Synchronsprecher etc.) profitieren – allerdings nur, falls sie einen entsprechenden Wahrnehmungsantrag stellen, etwa bei der VG Bild-Kunst.
Privatkopie-Abgabe auf Konsolen: So geht es weiter
Wie geht es nun weiter? Im nächsten Schritt werden ZPÜ und VHG in Verhandlungen eintreten, ob, wann und in welcher Höhe die Games-Unternehmen an den Privatkopie-Einnahmen beteiligt werden können. Der Kunde wird davon nichts ‚merken‘ – die Spielehersteller perspektivisch schon, nämlich in Form von Tantiemen.
Parallel lässt die ZPÜ entlang einer empirischen Untersuchung prüfen, wie die „maßgebliche Nutzung von Spielekonsolen“ in der Praxis aussieht. Daraus würde sich dann ein eigener Tarif ergeben – dessen Rechtmäßigkeit möglicherweise von Gerichten überprüft werden muss, analog zur Cloud.
Das Thema ist erkennbar vermintes Terrain: Bereits entlang der VHG-Gründung wollte kein angefragtes Unternehmen dazu Stellung nehmen.
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