
Wer die Wertschöpfungskette kontrolliert, kontrolliert das Game: Das Erfolgsmodell der Augsburger Fugger wird von der Spiele-Industrie mustergültig adaptiert.
Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,
das vergangene Wochenende habe ich in Augsburg verbracht – allerdings nicht wegen, sondern trotz des Bundesliga-Derbys gegen die Bayern in der örtlichen WWK-Arena.
Waren Sie schon mal dort? Also in Augschburch? Lohnt sich. Die drittgrößte Metropole des Freistaats und kolportiert zweitälteste Stadt Deutschlands ist ein echtes Schatzkästlein, herausgeputzt und mondän, das schwäbische Zürich, eine Elbflorenz – nur halt ohne Elbe (dafür mit Lech). Puppenkiste, Rathaus, Fuggerei, wunderschön.
Herzhaft schmunzeln musste ich zum Beispiel beim Anblick einer Inschrift am Weberhaus, die offenkundig auf die Einführung des mechanischen Webstuhls abzielt: „Zwischen Handwerk und Maschinen-Zeit – liegt der Weber Kampf und Leid.“ Wenn das im KI-Kontext nicht geradezu prophetisch klingt …

Apropos Fuggerei: Bei der näheren Beschäftigung mit der Historie der Stadt fiel mir sofort wieder die Wirtschaftssimulation Die Fugger 2 ein, die vor fast 30 Jahren vom hessischen Publisher Sunflowers produziert wurde.
Es war ein okayes PC-Spiel, bei dem es darum ging, ein Handels-Imperium aufzubauen – analog zur namensgebenden, obszön reichen Augsburger Kaufmannsfamilie, den Fuggern. Die Familie wäre nach heutiger Rechnung der wohlhabendste Clan des Planeten, weit vor den Waltons und Zuckerbergs und allen Scheichs des vorderen Orients. Der Beiname von Jakob Fugger lautete nicht umsonst: Der Reiche.
Dass sich das Fugger 2-Spielziel nicht nur durch geschickten Im- und Export, gezielte Posten-Besetzung und mutige Kreuz- und Quer-Verheiratungen erreichen ließ, sondern auch durch Mobbing, Sabotage und Spionage, missfiel einem Nachfahren der Fugger. Er klagte und bekam Recht – wodurch die Spiele-Verpackungen aus den Regalen verschwanden. Damit hatte sich auch Die Fugger 3 erledigt, das vom selben Entwicklerteam später als Die Gilde (heute eine THQ-Nordic-Marke) veröffentlicht wurde.
Für Sunflowers war die juristische Niederlage zunächst ein Schlag ins Kontor – schließlich durfte das hunderttausendfach verkaufte Spiel ab der Jahrtausendwende nicht mehr beworben und vertrieben werden.
Doch die Trübsal hielt sich in Grenzen: Denn zwei Jahre zuvor hatte der Publisher mit Anno 1602 und später mit Anno 1503 zwei Super-Hits gelandet, die bis heute nachwirken: Im November erscheint Anno 117: Pax Romana, an dem eine Hundertschaft Entwickler seit einigen Jahren werkelt.
Sunflowers selbst gibt es heute nicht mehr, weil die Firma samt Anno-Markenrechten anno 2007 von Ubisoft übernommen wurde. Seitdem entsteht die Aufbaustrategie-Serie beim größten Entwickler-Studio in Rheinland-Pfalz, nämlich bei Ubisoft Mainz.
Jetzt fragen Sie zurecht: Was machte die Fugger über Jahrhunderte eigentlich so erfolgreich? Ich kann lösen: Es lag an ihrem ausgefuchsten Business-Modell.
So standen Päpste und Kaiser buchstäblich in der Schuld der Fugger, weil Klerus und Adel ja ganz erhebliche Investitionen in Hofstaat, Paläste und gelegentliche Angriffskriege tätigen mussten.
Motto: Der König ist Kunde.
Fast noch missionskritischer war die Kontrolle der kompletten Wertschöpfungsketten – von den Rohstoffen über die Produktion bis hin zum Groß- und Einzel-Handel.
Und hier schließt sich der Kreis zur Games-Industrie, in der die mächtigsten und kommerziell bedeutendsten Player genau dieser Strategie folgen.
- Microsoft, Nintendo und Sony bauen Konsolen und Spiele, verdienen prächtig am Zubehör und betreiben eigene Online- und Abo-Dienste. Wer Spiele und Erweiterungen in deren Online-Stores anbieten will, zahlt einen Wegezoll von 30 Prozent.
- Der kumulierte Weltmarktanteil der Mobile-Betriebssysteme Android und iOS beträgt annähernd 100 Prozent. Von jedem In-App-Euro/-Dollar, der mit Games auf Smartphones und Tablets umgesetzt wird, landen 30 Cent bei Google oder Apple.
- 99 von 100 PC-Spielen werden als Download gekauft. Hauptprofiteur: Steam. Die Provision: Sie ahnen es – rund 30 Prozent.
Heißt: Von den kolportierten 5,5 Milliarden Euro, die 2024 in Deutschland mit Spiele-Software umgesetzt wurden, entfallen grob gewürfelt anderthalb Milliarden auf die Online-Shops einiger weniger Zwischenhändler. Das muss man gedanklich immer in Abzug bringen, wenn die Verbands-Fanfaren neue Marktdaten verkünden.
Ungeschlagener Wertschöpfungsketten-König der Branche ist Saudi-Arabien. Das Königreich am Golf mehrt unaufhaltsam den Einfluss in der Gaming- und E-Sport-Sphäre, indem es sich substanziell an Publishern beteiligt oder milliarden-schwere Schecks für die vollständige Übernahme von Pokémon Go oder Monopoly Go ausstellt.
Motto auch hier: Der König ist Kunde.
Und so kommt es, dass an Saudi-Arabien im kommerziellen E-Sport kein Weg mehr vorbei führt. Die Eintrittsbarrieren: turmhoch. So wird das Land in den kommenden zwölf Jahren die Olympic Esports Games ausrichten. Wer ist serienmäßig als Dienstleister an Bord? Die staatseigene Esports World Cup Foundation. Wer auch sonst?
Die daraus resultierenden Abhängigkeiten sind immens. Wenn der saudische Staats-Fonds roundabout 9,5 Prozent der Aktien hält (wie bei Electronic Arts), sollte man sicherheitshalber nicht davon ausgehen, dass Turniere rund um Apex Legends, EA Sports FC oder Battlefield künftig irgendwo anders stattfinden. Und wenn die Saudis zu einer E-Sport-Konferenz laden, steigt Ubisoft-Boss Guillemot doch gerne in den Flieger.
Übrigens: In Sorge um Leumund und Seelenheil sah sich Jakob Fugger (wir erinnern uns: Der Reiche) dereinst veranlasst, vorsorglich aufs Karma einzuzahlen – nur für den Fall, dass die Nummer mit dem Fegefeuer schief geht. So gründete er die erwähnte Fuggerei – eine weltberühmte Sozialsiedlung, in der die (symbolische) Kaltmiete immer noch schmale 88 Cent pro Jahr beträgt. Als Gegenleistung müssen die 150 Bewohner täglich drei Gebete sprechen – und natürlich in Kauf nehmen, dass sie zum Inventar der größten Touristen-Attraktion in Augsburg gehören.
Die Wartelisten sind entsprechend lang. Mindestens genauso lang wie die Zeit, die Deutschlands E-Sport-Ehrenamtliche schon auf die Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit warten. Die behördlichen Webstühle weben langsam. Sehr langsam. Aber es tut sich was.
Immerhin.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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Liebe Frau Fröhlich, Sie müssen den Spruch „Zwischen Handwerk und Maschinen-Zeit – liegt der Weber Kampf und Leid.“ noch weiter spinnen. Denn seit 2020 ist eine Eva Weber OB:in Augsburg und in einer funktionierenden Koalition mit den GRÜNEN an der Stadtregierung, was Frau Weber bei der Landes-CSU bestimmt nicht beliebt macht, aber für die Stadt wohl zu funktionieren scheint.
Weils ja schon zum festen Bestandteil unserers Gesellschafltichen Diskurs geworden ist, merke ich das hier mal nach langem Stillschweigen an (sorry dafür).
„Die diesen Umsatz aber selbstverständlich in Deutschland weder verbuchen noch versteuern.“
Argh, die Umsatzsteuer stets außen vor zu lassen finde ich unmöglich. Auch wenn der private Endverbraucher laut Gesetz die Steuer zahlt, so gehört stets ein Handel, bzw. eine Leistungserbringung zwischen zwei Parteien dazu! Würde ein Unternehmen dies nicht anbieten, dann könnte ja auch kein Umsatz entstehen.
Die Steuereinnahmen lagen 2024 bei 947,7 Milliarten Euro, davon waren 302,1 Millarden Euro Umsatzsteuer (einschließlich Einfuhrumsatzsteuer). Das waren ca. 31,8%
https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Steuern/Steuereinnahmen/steuereinnahmen.html
Die Versteuerung vom Gewinn etc. ist eine Sache, doch das gilt halt für deutsche als auch globale Unternehmen. Dass insbesondere in der Games Branche viel Geld aus Deutschland abfließt ist eine andere Sache und wird ja durchaus kritisiert. Immerhin ist Deutschland ja auch ein Exportstarkes Land, es bleibt also auch einiges hier… und dann wären wir bspw. bei der Lohnsteuer. Da dann z.B. einfach im obrigen Text die Umsatzsteuer durch Lohnsteuer tauschen^^
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