Auf eigene Stärken fokussieren und selbstbewusst verkaufen – dazu rät Anwalt Igor Rudolph, der Spiele-Studios beim Einstieg von Investoren berät und begleitet.
Die gute Nachricht für Deutschlands Games-Entwickler: Bund und Länder bezuschussen neue Projekte wie nie zuvor – der Staat trägt 25 bis 50 Prozent der Entwicklungskosten. Die nicht so gute Nachricht: Irgendjemand muss die ‚fehlenden’ 50 bis 75 Prozent zum Budget beisteuern.
An dieser Stelle kommen Venture-Capital-Unternehmen ins Spiel: Studios entscheiden sich dazu, Investoren an Bord zu holen – wie zuletzt im Falle der Torpor Games GmbH in Berlin. Die Macher der erfolgreichen Politik-Simulation Suzerain haben neben Krafton zwei Venture-Capital-Firmen vom Potenzial künftiger Spiele überzeugt.
Diesen Prozess auf juristischer Seite begleitet hat Igor Rudolph: Seit sechs Jahren ist er Rechtsanwalt bei der Berliner Sozietät Brehm & v. Moers, wo er Entwickler und Vermarkter in Fragen der Finanzierung berät – von der Gründung über Vertragsverhandlungen und Publishing-Deals bis hin zu Unternehmensverkäufen. Zu den Mandanten der Kanzlei gehören unter anderem Deck13 Interactive, Nukklear und Stratosphere Games.
Im GamesWirtschaft-Interview gibt Rudolph einen Einblick in die derzeitige Investment-Landschaft: Wonach suchen Geldgeber? Welche Chancen ergeben sich daraus für Studios? Und wo lauern Risiken und Nebenwirkungen?
„Viele Studios stecken in der Krise – zum Teil unverschuldet.“
GamesWirtschaft: Es gab ja eine Phase, in der verging kaum eine Woche ohne kleine und große Zukäufe und Beteiligungen in der Games-Branche. In welchem Zustand ist der Markt derzeit auf Käufer- und Verkäufer-Seite?
Igor Rudolph: Dieser Hype ist leider vorbei. Als die Branche während der Covid-Lockdowns boomte, haben Viele das große Geld gewittert und im Rahmen dieser Goldgräberstimmung Investitionen getätigt, mit denen sie sich überhoben haben.
Das lag zwar zum Teil am Einbruch der Verkaufs- und Spielerzahlen nach dem Ende der Lockdowns, aber auch an Investitionsentscheidungen, die meines Erachtens wider der Vernunft waren und in der Hoffnung auf das große Geld erfolgt sind.
Ein weiteres erhebliches Problem gerade für die größeren Publisher war, dass aufgrund des Ukraine-Krieges und der politischen Lage in den USA die Kapitalmärkte für Risikoinvestitionen eingebrochen sind und man sich häufig nicht mehr wie geplant refinanzieren konnte.
Speziell auf Deutschland bezogen, war die Zeit ohne Bundesförderung und ohne Bundeshaushalt auch sehr schädlich. Dies hat dann leider in den letzten fast zwei Jahren zur Einstellung vieler Projekte oder zur Schließung ganzer Studios geführt. Die dadurch entstandene Krisenstimmung haben natürlich die Käufer und Investoren innerhalb und außerhalb der Branche ebenfalls wahrgenommen und sind in den letzten zwei Jahren sehr zurückhaltend gewesen mit Investitionen und Käufen.
Dabei bietet diese Krise gerade für Käufer und Investoren natürlich auch Chancen, denn das traurige Spiegelbild der Krise auf Verkäuferseite ist, dass es derzeit immer noch viele Studios gibt, die in der Krise stecken – und dies zum Teil sogar unverschuldet.
Dementsprechend könnten strategische Investoren derzeit sehr günstig Beteiligungen oder gleich ganze Studios mit gutem Track Record erwerben.
Was veranlasst Studios und Publisher abseits der Aussicht auf zügigeres Wachstum, Investoren per Minderheitsbeteiligung an Bord zu nehmen?
Die Gründe sind bei Studios und Publishern recht unterschiedlich. Auf der Seite der Studios gibt es zumeist zwei Gründe.
Ist der Investor aus der Branche, erhoffen sich viele, neben der Finanzspritze auch von dem Know-How des Investors und seinen Verbindungen in die Branche zu profitieren.
Der andere Grund ist zwar vielleicht auch Wachstum im weitesten Sinn, jedoch weniger in die Höhe, als in die Breite. Die Studios versuchen dann oftmals sich mit der Investition neue Geschäftsfelder zu erschließen oder sich zumindest hinsichtlich Ihrer Produktionen breiter aufzustellen.
In jedem Fall erlangen die Gründer aber Planungssicherheit für einen gewissen Zeitraum, was oft eben auch noch weitere Finanzierungsoptionen wie Förderung eröffnet. Publisher wiederum versuchen durch den Geldzufluss oftmals das eigene Portfolio zu erweitern, entweder durch den Kauf von Rechten oder auch von ganzen Studios.
In welchem Stadium kommt die Kanzlei ins Spiel?
Wir kommen recht früh in dem Prozess dazu. In solchen Prozessen wird, nachdem man die grundlegenden wirtschaftlichen Bedingungen solcher Vereinbarungen besprochen hat, ein sogenanntes Terms Sheet geschlossen.
Zwar ist dies in weiten Teilen nicht rechtlich bindend, es hält jedoch die wichtigsten Übereinkommen für die späteren Verträge fest.
Von diesen Abmachungen später abweichen zu wollen, zum Beispiel weil man die Tragweite einer Klausel missverstanden hat, ist zumindest verhandlungstaktisch schwierig. Daher swerden wir meist auch bereits ab dem Entwurf des Term Sheets beauftragt und begleiten die Transaktion dann bis zum Closing.
Wie sieht das typische ‚Beuteschema‘ der Venture-Capital-Unternehmen aus? Sprich: Welche Firmen sind besonders gefragt – etwa mit Blick auf Geschäftsmodell, Plattformen, Track Record, Unternehmensgröße und -reife?
Entwicklungsstudios waren lange kein beliebtes Target von Venture Capital-Investoren, wenn diese nicht ohnehin auf die Games-Branche fokussiert waren. Die konnte man aber in Europa mit einer Hand abzählen.
Dass andere Venture Capital Investoren die Games-Branche gemieden haben, liegt schlicht daran, dass es sich um ein Hit-Driven-Business handelt und deren Überleben oft von dem Erfolg des jeweiligen Spiels abhängt.
Da es zuletzt selbst bei teuren AA- oder AAA-Produktionen und auch für Branchenexperten immer schwieriger abzusehen ist, ob ein Spiel Erfolg hat, besteht ein kaum kalkulierbares Risiko, das selbst den ‚Wagniskapital‘-Gebern erheblich zu hoch ist.
In letzter Zeit gab es jedoch Investitionen in Studios – und diese zeichnen sich zumeist dadurch aus, dass sie versuchen, Strategien gegen eben genau dieses Risiko zu entwickeln, indem sie sich breiter aufstellen und eine strategischerer Produktplanung verfolgen.
Sie konzentrieren sich meist nicht darauf lediglich ein großes Spiel zu entwickeln, sondern arbeiten an mehreren Projekten, die zwar gegebenenfalls hinsichtlich der IP oder dem Genre zusammenhängen, aber doch für sich stehen und so das Risiko verteilen. Ebenso ist es möglich, dass sie die hinter dem Spiel steckende Technologie in anderen Bereichen verwenden.
Dabei handelt es sich dann auch eher um junge Unternehmen, die zwar entweder selbst oder deren Gründer bereits einen Track Record haben, jedoch oft nicht mehr als 5 bis 15 Mitarbeiter. Diese Studios benötigen für Ihre Pläne (für unser aller Verhältnisse) zwar viel, für Venture-Capital-Verhältnisse aber recht wenig Geld – meist unter 10 Millionen Euro. Wodurch das Risiko dann auch für den Investor nochmal geringer wird.
In meiner Wahrnehmung konnte ich dabei keine Tendenz zu Entwicklern für bestimmte Plattformen erkennen, aber auch diesbezüglich wird Diversifizierung ein Vorteil sein.
Der anhaltende Trend der Nutzer zu Mobile und die damit verbundenen Einnahmemöglichkeiten sind aber auch sicherlich ein zu berücksichtigender Faktor, denn auf der Suche nach Venture-Capital-Investoren sollte man eins nicht vergessen: deren vorrangiges Interesse besteht allein darin, dass sie Ihr Investment vervielfachen und möchte man, dass sie investieren, muss man sie davon überzeugen, dass man dies schafft.
Ausnahmen hiervon sind typische Trendprodukte wie der – fast durchgängig erfolglose – Hype um Blockchain-Games, die erhebliche VC Investitionen angezogen haben, genauso wie es gerade auch im KI-Bereich zu sehen ist. Hier wird vor allem Geld aufgrund eines Hypes investiert, da sich hier einfach Geld einsammeln lässt. Nachhaltig sind diese Investitionen allerdings selten.
„Qualifiziertes Personal und eine gute Ausbildung sind als Standortvorteil leider nicht ausreichend.“
Wie ist der Games-Standort Deutschland perspektivisch im europäischen Vergleich aufgestellt? Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Games-Förderung bei potenziellen Investitionen?
Deutschland hatte durch die politische Situation und die daraus resultierende Unzuverlässigkeit der Bundesförderung natürlich in den letzten eineinhalb Jahren Probleme, als Standort zu glänzen.
Dennoch denke ich, dass wir hier viel Talent haben und in einigen Bundesländern eine sehr zuverlässige und gute Landesförderung, insbesondere für die kleineren Projekte.
Letzteres reicht aber nicht aus, um Investoren anzuziehen. Dafür benötigt es eine zuverlässige Bundesförderung. Wenn man sich zudem anguckt, wo die Riesen der Branche sitzen, dann sind dies auch meist Standorte, an denen es Tax Credits als Förderung gibt. Da Deutschland nicht mit niedrigen Lohnkosten glänzen kann, ist eine Förderung unerlässlich. Qualifiziertes Personal und eine gute Ausbildung sind als Standortvorteil leider nicht ausreichend.
Was ich aber nicht unerwähnt lassen möchte: Durch die Press Start-Förderung sind nun sehr viele neue Studios entstanden – und auch unter diesen befinden sich sicherlich ein paar interessante Unternehmen, in die es sich in Zukunft lohnen könnte, zu investieren.
Aus der täglichen Praxis heraus: Wie attraktiv ist die Games-Branche denn als solche derzeit für Investoren – auch im Vergleich mit anderen Gewerken, etwa KI oder Health?
Insbesondere Venture Capital-Investoren, die keinen Fokus auf die Games Branche haben, sind derzeit schwer zu gewinnen. Dabei muss man fairerweise aber auch sagen, dass die meisten Venture Capital-Investoren einen Fokus haben und eine Branche in der sie sich auskennen und investieren. Kein Investor investiert in Geschäftsmodelle, deren Risiko er in Ermangelung von Branchenkenntnissen gar nicht oder nur schlecht einschätzen kann.
Themen wie KI sind natürlich ein Riesentrend, dem auch Investoren folgen. Man sollte sich jedoch nicht darauf verlassen das die Verwendung solcher Schlagwörter Investments beschert, wenn nicht auch wirklich etwas dahinter steckt.
Vielmehr sollte man sich auf seine eigenen Stärken konzentrieren und diese selbstbewusst verkaufen. Das führt meiner Erfahrung nach am ehesten zum Erfolg.
Was man aber sagen kann: Die Anzahl an Venture Capital-Fonds und -Investoren mit Fokus auf die Games-Branche in den letzten Jahren spürbar gewachsen. Die Chancen auf Wagniskapitial sind daher grundsätzlich besser sind als noch vor einigen Jahren. (pf)













