
„Glücksspiel kann süchtig machen“, warnt die Werbung – auch deshalb gibt es Kritik am Sponsoring von E-Sport-Teams und -Events. Games-Jurist Nepomuk Nothelfer verweist auf die strenge Regulierung.
Entlang von Bundesliga- und Champions-League-Spieltagen ist an Glücksspiel-Promotion kaum ein Vorbeikommen: Sportwetten- und Online-Casino-Anbieter treten wie selbstverständlich als Sponsoren von Trikots und auf Stadion-Banden auf. Im Umfeld der Live-Übertragungen reiht sich ein Spot an den nächsten – Fußball-Legenden stocken ihre karge Rente auf und bewerben mit ihrem guten Namen die einschlägigen Anbieter.
Im E-Sport ist die Lage – noch – eine andere. Was eine Erklärung für den Gegenwind im Netz liefert, den die Ankündigung von Berlin International Gaming (BIG) in der vergangenen Woche ausgelöst hat: Denn das international überaus erfolgreiche E-Sport-Unternehmen wird künftig mit der westfälischen Merkur Group kooperieren und einen gemeinsamen Merkur Cash Cup auf Basis von Counter-Strike 2 ausrichten.
Prominente Influencer, Caster und Spieler, aber auch auffallend viele Fans halten es mit Blick auf Glücksspielsucht für fatal, dass die BIG-Profis gerade in der überwiegend jungen Zielgruppe der 20- bis 30jährigen für Spielotheken und Online-Casinos trommeln.
E-Sport-Jurist Nothelfer: „Legale Glücksspiel-Lizenzen werden nicht leichtfertig vergeben.“
Eine allein aus beruflichen Gründen andere Perspektive bringt Associate Professor Dr. Nepomuk Nothelfer ein: Der E-Sport-Experte ist Mitglied des Wissenschaftsbeirats beim E-Sport-Bund Deutschland (ESBD) und seit Juli Rechtsanwalt in der Kanzlei Melchers Rechtsanwälte. Die Sozietät unterhält vier Büros in Deutschland und berät eine Vielzahl von Mandanten in der E-Sport- und Glücksspielbranche – von Clubs über Agenturen bis hin zu Glücksspiel-Anbietern. Merkur ist kein Mandant der Kanzlei.
Gegenüber GamesWirtschaft ordnet Nothelfer die jüngste Entwicklung ein.
GamesWirtschaft: Herr Nothelfer, die Ankündigung des Sponsoring-Vertrags zwischen BIG und der Merkur-Gruppe hat zu außergewöhnlich lauter Kritik im Netz geführt. Wie lautet Ihre Bewertung des Vorgangs?
Nepomuk Nothelfer: Es ist das gute Recht einer Community, Kritik zu äußern. Gleichzeitig tragen die Kritiker meines Erachtens aber auch die Verantwortung, sich mit den fraglichen Themen auseinanderzusetzen. ‚Themen‘ bewusst im Plural: Denn die aktuelle Kritik zeugt nicht nur von fehlender Sachkunde im Hinblick auf Glückspiel und Glücksspiel-Regulierung, sondern ebenso von unzureichendem Verständnis bezüglich des hier relevanten E-Sport-Ökosystems.
Beginnen wir mit der Regulierung von öffentlichem Glückspiel: Das deutsche Glücksspielrecht unterscheidet zwischen legalen und illegalen Angeboten. Legale Angebote existieren, weil der natürliche Spieltrieb der Bevölkerung existiert. Ohne regulierte Angebote, die zahlreichen strikten Beschränkungen unterliegen, würde sich dieser Spieltrieb auf illegale Plattformen verlagern – völlig ohne Safeguarding-Maßnahmen wie Spielverbote für Minderjährige, Einzahlungslimits, Spielpausen, Wettlimits, Werbebeschränkungen, Sperrsysteme oder Sozialkonzept.
Legal ist ein Angebot ausschließlich, wenn eine Erlaubnis der Gemeinsamen Glückspielbehörde der Länder (GGL) vorliegt. Dies regelt der Glücksspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV 2021), der das Ziel hat, den Glücksspielmarkt bundesweit zu regulieren, den Jugend- und Spielerschutz sicherzustellen, Spielsucht vorzubeugen und illegale Angebote zu bekämpfen. Eine Lizenz wird dabei nicht leichtfertig vergeben: Die Regeln, die Anbieter einhalten müssen, sind umfassend.
Beispielsweise bedarf es eines Spielerkontos, für das der Spieler ein anbieterübergreifendes monatliches Einzahlungslimit festlegt, wobei dieses 1.000€ im Monat grds. nicht übersteigen darf (§ 6c I 1, 2 GlüStV 2021). Ein höheres Limit ist nur in Ausnahmefällen und nach Nachweis wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit möglich – etwa durch Einkommenssteuerbescheide, nicht durch Selbstauskunft.
Dabei darf nur einem Prozent der Spieler eines Anbieters eine solche Ausnahme genehmigt werden, was aber mit derlei umfangreichen Monitoring-Pflichten einhergeht, dass die meisten legalen Anbieter hiervon keinen Gebrauch machen. Dies ist nur eines von vielen Beispielen der strikten Vorschriften, die von legalen Anbietern eingehalten werden müssen, von illegalen Anbietern aber in alle Gelassenheit ignoriert werden.
Verstößt ein lizenzierter Anbieter gegen diese Regeln, verliert er seine Lizenz und macht sich darüber hinaus in erheblichem Maße rechtlich haftbar (u. a. §§ 284, 285 StGB, § 28a GlüStV 2021). Merkur ist ein solcher lizenzierter Anbieter. Von den jahrelangen Bemühungen des Unternehmens im Bereich der Glückspielforschung ganz zu schweigen.
Muss man als rechtlicher Laie über diese enge Regulierung Bescheid wissen? Nein. Kann man die weitreichenden Beschränkungen und die Inhaber von Lizenzen in Deutschland innerhalb weniger Minuten – oder Sekunden mit ChatGPT – recherchieren? Ja.
Niemand muss Glücksspiel mögen. Wer jedoch legale und illegale Anbieter über einen Kamm schert oder den wissenschaftlich unstrittigen, natürlichen Spieltrieb des Menschen leugnet, qualifiziert sich meiner Meinung nach nicht für eine – durchaus berechtigte – Diskussion.
Doch wie sieht es mit der „jungen Zielgruppe“ aus? Ziel des Glückspielstaatsvertrags ist der Jugend- und Spielerschutz (§ 1 S. 1 Nr. 3 GlüStV 2021). Minderjährige sind von der Teilnahme an öffentlichem Glückspiel ausgeschlossen (§ 4 Abs. 3 GlüStV) und selbst (ansonsten) legale Werbung darf nicht in Bereichen erfolgen, in denen überwiegend Minderjährige verkehren.
Wie kann also eine Zusammenarbeit im Bereich Counter-Strike 2 legal sein? Ganz einfach: Weder Counter-Strike 2 noch Counter-Strike 2-Turniere werden überwiegend von Minderjährigen frequentiert. Dies ist ein Umstand, den die wenigen Stakeholder, die über die echten Daten verfügen, mühelos belegen können; mir ist dies an dieser Stelle aber ebenso wenig möglich, wie es den Kritikern möglich ist, das Gegenteil zu beweisen. Mir bleibt daher nur die Empfehlung, eines der großen Counter-Strike 2-Turniere zu besuchen und sich die dortigen Fans genau anzusehen.
Was bleibt? Ein Club arbeitet in einem Bereich, in dem die Zielgruppe nicht überwiegend minderjährig ist, statt mit zahlungsfreudigen illegalen Anbieter mit einem legalen Anbieter zusammen. Beide sind an eine Vielzahl gesetzlicher Regeln gebunden, deren Einhaltung von einer eigens dafür geschaffenen Behörde überwacht wird. Und wer glaubt, dass die Behörden hier nicht auf das Schärfste kontrollieren, liegt falsch.
Ob Gaming und E-Sport völlig frei sein sollten von Glücksspiel, Alkohol, Cannabis oder dem Einfluss nicht-demokratischer Länder, darf, soll und muss jeder für sich entscheiden. Ein Mindestmaß an Recherche ist jedoch dringend anzuraten – vielleicht schon beim nächsten großen Counter-Strike 2-Turnier, das Kritiker – ebenso wie das Spiel selbst – gewohnt bequem gratis konsumieren können. Sinn und Zweck meiner Antwort soll aber nicht Polemik oder Überzeugung sein, sondern das Schaffen von Perspektive.
Glücksspiel-Branche hat E-Sport-Publikum im Blick
Die Games-Industrie legt seit jeher großen Wert auf eine maximal scharfe Abgrenzung zum Gambling. Zuletzt ist die ‚Brandmauer‘ dünner geworden – zumal Publisher wie Riot Games ihre Spiele für E-Sport-Wetten öffnen. Was passiert da gerade am Markt?
Der Wunsch der Gaming-Branche, nicht von der Glückspielregulierung erfasst zu werden, ist aus wirtschaftlicher Sicht ebenso nachvollziehbar, wie er im Angesichte der Glückspielregulierung unbedeutend ist. Fällt das System eines Publishers unter die Definition von Glücksspiel im Sinne des GlüStV 2021, greift die Regulierung. Für den E-Sport gilt nichts anderes.
Die Öffnung von Riot Games umgeht die staatliche Regulierung nicht; sie zeigt lediglich, dass Publisher allgemein immer weniger Ressourcen in Regulierung des eigenen Systems investieren. Die Last fällt dadurch vor allem auf Dritte, insbesondere die Clubs.
Der Markt reagiert – wie immer – auf das Feedback der Konsumenten und die Regulierung der Normsetzer. Werden Mikrotransaktionen, In-Game-Währungen oder Lootboxen abgelehnt oder zu stark reguliert, muss eine alternative Finanzierungsquelle gefunden werden. Kosten, die am Ende wohl alle Spieler tragen müssen.
Im E-Sport gilt dasselbe. Schränkt eine herausfordernde wirtschaftliche Lage das Sponsoringbudget „gewollter“ Unternehmen ein, müssen Alternativen gefunden werden. Ist die Community mit diesen Alternativen unzufrieden – was bei genauer Betrachtung der Situation auf die Community von BIG in Bezug auf die Partnerschaft mit Merkur überwiegend nicht zutrifft (die Kritik kommt vorrangig von außerhalb der BIG-Community) – so kann und soll sie diese äußern. Für eine Lösung des grundlegenden Problems sorgt dies nicht.
Ich kann in der aktuellen Situation keinen generellen Paradigmenwechsel hin zum Glückspiel erkennen. In einer Vielzahl von E-Sport-Ökosystemen sind Glückspielsponsoren schon seit vielen Jahren Standard und im Riot-Kosmos schrumpft die Sponsoring-Blacklist schon seit Jahren.
Das ist keine Wertung, sondern schlicht eine Tatsache.
Kann der Profi-E-Sport ohne Glücksspiel-Werbung überleben?
Im deutschen Profi-Fußball ist Glücksspiel-Werbung omnipräsent. Ist eine ähnliche Entwicklung im Games-Bereich zu erwarten? Konkret: Ist der kommerzielle E-Sport perspektivisch ohne die Millionen aus dem Glücksspiel-/Gambling-Segment überhaupt vorstellbar?
Obgleich es in Deutschland kein generelles Verbot von Glücksspielwerbung im Sport gibt, existiert ein Großteil der Regelungen, wie sie etwa in Spanien gelten, auch hierzulande. Keine Werbung für illegales Glücksspiel, keine Werbung mit aktiven Sportlern oder Influencern, stark eingeschränkte Dachmarkenwerbung bei mehreren legalen Glücksspielangeboten, zeitliche Beschränkungen der Werbung – all das gilt auch in Deutschland.
Die Frage begeht jedoch den Fehler der Kategorienverwechslung: Als Beleg für die Annahme wird der deutsche Profifußball herangezogen, Vergleichsgegenstand ist jedoch der E-Sport (komplexer noch der „Games-Bereich“). Oder anders: Vergleichen kann man Fußball mit Counter-Strike 2 und Sport mit E-Sport, nicht aber Profi-Fußball und E-Sport.
In Deutschland gelten für Glücksspielwerbung dieselben Gesetze für Sport- und E-Sport-Kanäle. Nur weil das Produkt „1. Bundesliga“ mit dem Schutzzweck dieser Vorschriften vereinbar ist, bedeutet das nicht, dass dies automatisch für jeden Fußballwettbewerb gilt – oder für Counter-Strike 2.
Manche Sport- beziehungsweise E-Sport-Ereignisse eignen sich als Markt für Sportwetten (aufgrund Professionalität, Safeguarding-Maßnahmen, Konsumentenstruktur, etc.) und andere nicht. Dies gilt auch für die Kanäle des Sports bzw. des E-Sports. Es wird auch künftig E-Sport-Ökosysteme geben, die offensichtlich nicht als Anknüpfungspunkt für legale Wetten beziehungsweise legale Glückspielwerbung geeignet sind, und demnach frei hiervon bleiben müssen.
Denn: Legal kann man sich nur innerhalb dieser Grenzen bewegen. Bei diesen mag es sich nicht um physikalische Gesetzmäßigkeiten handeln, sie sind jedoch fern ab von Willkür. Verpflichtet sich ein Unternehmen zur Einhaltung dieser Vorgaben, sorgt es für einen risikoarmen Markt, in dem Spielerschutz eine stetig überprüfte Priorität ist.
Meine Gegenfrage würde – gerade im Hinblick auf die Alternativen – lauten: Warum sollte ein legales Sponsoring eines legalen Unternehmens in geeigneten E-Sport-Märkten ein Problem sein? (pf)












