Auf ein ruppiges 2024 folgt ein womöglich genauso ruppiges 2025: Die Games-Branche sollte sich darauf einstellen, zumindest mental.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
ich gehe einfach mal davon aus, dass Sie sich am Dienstag der vergangenen Woche alters-angemessen ins neue Jahr geprostet haben und sich ganz grundsätzlich auf die angelaufene Saison freuen. Ihnen, Ihrer Familie und Ihrem Team wünsche ich gutes Gelingen bei allem, was Sie sich vorgenommen haben – und vor allem allzeit beste Gesundheit.
Stichwort ‚vornehmen‘: Meine ‚Weihnachtsferien‘ habe ich damit zugebracht, endlich den Keller zu entrümpeln und Kabel, Klebeband, Anleitungen, Pinsel, Sämereien und Gartenschlauch-Schellen in ordnungsgemäß beschriftete Kunststoff-Behälter zu sortieren. Parallel liefen die Greatest Hits längst verjährter Steuererklärungen und Belege durch den Shredder – quasi das Beste der 90er und 2000er.
Theoretisch hätte sich diese ungemein befriedigende Aufgabe bei konsequenter Anwendung bequem in ein, zwei Tagen erledigen lassen – wenn einem nicht alle fünf Minuten irgendwelche emotional aufgeladene Memorabilia in die Hände fiele: 30 Jahre alte Erstausgaben von Spiele-Zeitschriften, vergilbte Konzertkarten, Flugtickets und Praktikums- und Arbeitsverträge mit D-Mark-Salär. Wunderschön.
Und so kam es, dass sich diese Quest über Wochen hinzog – nur unterbrochen von südkoreanischen Netflix-Serien, ZDF-Basketball-Dokus und Indiana Jones und der Große Kreis (wunderbares Spiel übrigens).
Parallel ist die Republik mit einer ganzen Reihe von Neuerungen ins neue Jahr gestartet: Das 49-€-Euro-Ticket kostet jetzt 58 €, Bank-Überweisungen erfolgen seit dem gestrigen Donnerstag serienmäßig in Echtzeit (yeah!) und Standardbriefe transportiert die Deutsche Post ab sofort für 95 statt bislang 85 Cent.
Mich treibt ein bisschen die Sorge um, dass wir uns in zwölf Monaten im Rückblick wünschen, die Veränderungen innerhalb der Computerspiele-Branche wären genauso ‚banal‘ ausgefallen. Denn tatsächlich ist weiterhin ganz viel Unsicherheit im Markt – die sich vielfach aus der Unwucht bei den Konzernmüttern speist.
Ausgerechnet die beiden größten europäischen Spielehersteller und damit wichtigsten Games-Arbeitgeber der DACH-Region kommen nicht zur Ruhe:
- Das Stockholmer Embracer-Imperium zerfällt zeitnah in drei Unternehmensgruppen – Plaion (München) und THQ Nordic (Wien) samt der angeschlossenen Funkhäuser werden demnächst in separate Sparten aufgeteilt, die am Markt und an der Börse eigenständig auftreten. Paragraph Eins: Jeder macht seins.
- Während bei Embracer der Fahrplan steht, ist zur Stunde völlig offen, wie das Spiel für Ubisoft ausgeht. Gestern hat der französische Traditions-Konzern angekündigt, dass sich externe Berater über die Bücher beugen und gangbare Wege evaluieren – an dessen Ende eine komplett neue Eigentümer-Struktur stehen könnte, bei der es naiv anzunehmen wäre, dass dies gar keine Auswirkungen auf Deutschland hat. Mehr als 900 Menschen sind bei der Ubisoft GmbH, in den drei Ubisoft-Studios und bei Kolibri Games in Berlin beschäftigt.
Nicht nur die ganz großen Dickschiffe sind in stürmischer See unterwegs. Gerade Startups, Indies und Mittelständler blicken einigermaßen angespannt auf den 23. Februar, also auf die Bundestagswahl. Denn erst entlang einer neuen Koalition (die ja frühestens zur Jahresmitte den operativen Betrieb aufnimmt) wird sich weisen, ob und wenn ja: wie es mit der Games-Förderung weitergeht. Alle bisherigen Absichtserklärungen der Ampel-Parteien sind spätestens seit dem 6. November Makulatur.
Die künftige Regierung – egal welcher Couleur – wird beim Aufstellen des Haushalts zwangsläufig eigene Akzente setzen, auch mit Blick auf die Games-Branche. Die Wahlprogramme bleiben bislang im Ungefähren. Von Sonntagsreden und der wattigen Aussicht auf „Unterstützung“ alleine können sich Entwickler nichts kaufen, buchstäblich. Zumal ja auch noch der jeweilige Koalitionspartner ein Wörtchen mitzureden hat: Man muss nicht Prophet auf Lehramt studiert haben, um komplizierte und langwierige Verhandlungen zu unterstellen.
Dass die Politik zeitnah in die Pötte kommt, darauf sollte man sich daher besser nicht verlassen. Und so sind in diesen Tagen und schon seit einer Weile ganz viele Studios im Land intensiv damit beschäftigt, anderweitige Anschluss-Finanzierungen zu organisieren. Sie treffen dabei vielfach auf Zurückhaltung bei Publishern und Investoren, die ihre Budgets beisammen halten und Risiken tendenziell scheuen.
Immerhin: Seit dem 30. Dezember lassen sich wieder Förder-Anträge beim Wirtschaftsministerium stellen, weil die grüne Kulturstaatsministerin Claudia Roth last-minute ein 17-Mio.-€-Paket umgeparkt hat. Doch die Mittel sind zunächst begrenzt, die Hürden hoch – in jedem Fall höher als bei jenen Verfahren, die in den vergangenen Jahren praktiziert wurden. So ist es ab sofort nicht mehr möglich, Konzepte oder Prototypen von NRW, Berlin oder Bayern fördern zu lassen und dieses Spiel dann mit Bundesmitteln zu bauen. Zuvor hatte der Bundesrechnungshof gegen diese gängige Praxis rebelliert.
Für die Umsetzung der ersehnten ‚Leuchtturm-Projekte‘ reichen die im Raum stehenden Budgets ohnehin nicht. Alleine die Förder-Bescheide für die hiesigen Studio-Töchter von Embracer und Ubisoft belaufen sich in Summe auf deutlich über 20 Mio. € – viele dieser Projekte kommen erst 2026 oder gar 2027.
Dass den Kunden in der Zwischenzeit das spielbare Material ausgeht, ist indes unwahrscheinlich. Mindestens im AAA-Bereich sind die Produkt-Pipelines gut gefüllt: Schon in den kommenden Wochen erwarten uns Civiliziation 7, Kingdom Come: Deliverance 2, Monster Hunter Wilds und Ubisofts Assassin’s Creed Shadows, wenn auch einen Monat später als geplant.
Auf der Haben-Seite steht mit der Switch 2 außerdem eine neue Nintendo-Konsole, die mit etwas Glück schon in vielen Osternestern liegt. Um ein Grand Theft Auto 6, das alle anderen Releases überstrahlt und Zeit und Kaufkraft frisst, werden sich Mitbewerber – so weit würde ich mich mal aus dem Fenster lehnen – in diesem Jahr eher keine Gedanken machen müssen. Einfach deshalb, weil das Take-Two-Geschäftsjahr bis März 2026 reicht und eine Besser-ist-das-Verschiebung vom Q4 ins Q1 gefühlt ohnehin im Kurs eingepreist ist. No harm done.
Aber das ist eben nur: ein Gefühl. Umso gespannter bin ich, wie die GamesWirtschaftsWeisen auf die möglichen Ereignisse und Trends des Jahres 2025 blicken: Die alljährliche Befragung der Branchen-Experten und -Gelehrten startet in den kommenden Tagen – die Auswertung ist dann für die Woche ab dem 20. Januar geplant.
Aber Sie wissen ja, wie das ist … mit diesen Vorsätzen.
Ein schönes Wochenende und einen stabilen Start ins neue Jahr wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Immer freitags, immer kostenlos: Jetzt GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren!
GamesWirtschaft auf Social Media: LinkedIn ● Facebook ● X ● Threads ● Bluesky