Ausgerechnet am Valentinstag besiegelten THQ Nordic und Koch Media, dass sie künftig gemeinschaftlich auftreten. Wären sie ein Liebespaar, würde man sagen: Beide Partner behalten ihre Namen und ihre Wohnungen. Was ändert sich für Branche, Entwickler und Spiele-Käufer?

[no_toc]Man muss nicht zwingend die „Sherlock-Holmes-Abendschule für angewandten Spürsinn“ absolviert haben, um zu ahnen: Der Firmenname Koch Media geht auf den Familiennamen des Gründers zurück – Franz Koch.

In der Branche gilt der 66jährige als Phantom, denn das Tagesgeschäft haben seine Geschäftsführer Klemens Kundratitz und Reinhard Gratl gesteuert – und das gilt künftig mehr denn je. Denn österreichischen Medien zufolge will sich der in Innsbruck lebende Koch komplett zurückziehen: Er geht in den Ruhestand und verkauft sein Lebenswerk an die schwedische Aktiengesellschaft THQ Nordic AB, die im Zentrum Wiens eine Niederlassung unterhält.

Im Gesamtpreis von 121 Millionen Euro enthalten ist die österreichische Koch Media Holding GmbH im nur 1.200 Einwohner zählenden Höfen im Grenzgebiet zwischen Bayern und Tirol samt aller Grundstücke, Logistikhallen und Verwaltung, außerdem die Koch Media GmbH in Planegg bei München und ein ganzes Rudel an Spiele-Marken, Vertriebsrechten und Studios, darunter die Mobile-Games-Spezialisten Deep Silver Fishlabs in Hamburg.

Koch Media vermarktet eigene Spiele unter dem Label "Deep Silver" (hier auf der Gamescom 2017)
Koch Media vermarktet eigene Spiele unter dem Label „Deep Silver“ (hier auf der Gamescom 2017)

Analyse: Was THQ Nordic mit Koch Media plant

Hinter der THQ Nordic AB (AB = „Aktiebolag“, also Aktiengesellschaft) steht der erst 40 Jahre alte, schwedische Investor und Multimillionär Lars Wingefors, der über ein weitverzweigtes Firmen-Imperium herrscht.

Durch THQ Nordic sitzt er schon jetzt auf einem gewaltigen Schatz an Spielemarken, von „Aquanox“ über „Titan Quest“ bis „Darksiders“. Auch zwei deutsche Studio-Töchter befinden sich im Portfolio: Grimlore Games („Spellforce 3“) in München und Black Forest Games („Giana Sisters“) in Offenburg.

Der Jahresumsatz von THQ Nordic wird sich durch die Koch-Media-Übernahme vervielfachen – und zwar um geschätzte 360 Millionen Euro. Dazu beitragen sollen 50 neue Spiele, darunter vier Großprojekte inklusive Fortsetzungen der Action-Serien „Metro“ und „Dead Island“. Vieles spricht dafür, dass auch „ELEX 2“, das sich bereits in Entwicklung befindet, dazu gehört.

Knapp 800 Mitarbeiter – darunter 150 in Österreich – wechseln den Arbeitgeber. In Summe wird THQ Nordic rund 1.000 Angestellte beschäftigen – hinzu kommen die Entwickler bei externen Studios.

Weil auch Koch-Media-Miteigentümer Klemens Kundratitz seine Anteile abgibt und zum THQ-Nordic-Großaktionär aufsteigt, halten die Schweden künftig 100 Prozent an Koch Media. Damit setzt sich ein bemerkenswerter Trend fort: Erneut wird ein Games-Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum von einer schwedischen Aktiengesellschaft geschluckt – wie schon zuvor bei Deutschlands Free2play-Marktführern InnoGames (2016/17) und Goodgame Studios (2017).

Relevante Übernahmen deutscher Games-Unternehmen durch schwedische Konzerne und Investoren seit 2015 (Stand: 14.02.2018)
Relevante Übernahmen deutscher Games-Unternehmen durch schwedische Konzerne und Investoren seit 2015 (Stand: 14.02.2018)

Koch Media: Der stille Spiele-Riese

In den mehr als 30 Jahren seit Gründung hat sich Koch Media zu einem der größten Vertriebs-Unternehmen für Spiele, Software und DVD-Filme entwickelt. Neben eigenen Produkten beliefert Koch den Handel auch mit dem Sortiment von rund 50 Spieleherstellern, darunter Square Enix („Final Fantasy“), Codemasters („F1 2018“) oder SEGA („Total War: Warhammer 2“).

Koch Media selbst wirbt damit, „Europas größter Publishing-Partner“ zu sein – die Firma stellt also nicht nur Spiele-Boxen in den Laden, sondern übernimmt auch Dienstleistungen wie Marketing, PR und den Digital-Vertrieb via Steam, Appstore oder PlayStation-Store.

Zugute kommt Koch Media, dass viele Games-Hersteller inzwischen nur noch ganz wenige, dafür aufwändigere und teurere Spiele produzieren. Daher lohnt es sich selbst für größere Publisher vielfach nicht, in jedem Land eine eigene Niederlassung zu unterhalten.

In der europäischen Videospiel-Industrie ist Koch Media daher eine feste Größe. Gegenüber den Endverbrauchern trat das Unternehmen überwiegend über das eigene Label „Deep Silver“ auf, wie sich beispielsweise auf der Packung der Neuheit „Kingdom Come Deliverance“ oder am Gamescom-Messestand besichtigen lässt.

Zum Deep-Silver-Programm gehören außerdem „Homefront“, „Sacred“, „Saints Row“, „Risen“ und viele weitere Marken.

THQ Nordic kauft Koch Media: Überraschender Zeitpunkt, überraschender Käufer

Zeitpunkt und Käufer der Übernahme haben sowohl die Branche als auch die meisten Mitarbeiter völlig überrascht. Dem Vernehmen nach war nur der engste Führungskreis mit dem komplexen Vorgang betraut, der sich über vier Monate hingezogen haben soll.

Gerüchte über einen Verkauf von Koch Media hatte es in der Vergangenheit regelmäßig gegeben – laut einem Bericht des Handelsblatts hätten Koch und Kundratitz bereits im Sommer 2014 die Investmentbank UBS beauftragt, einen Käufer für das Unternehmen zu finden. Offiziell kommentiert oder gar bestätigt wurde das nicht – seitdem herrschte Funkstille.

Bei der Betriebsversammlung am Tag der Bekanntgabe war auch Franz Koch zugegen, der sich unmittelbar von seinen Mitarbeitern in Höfen verabschiedet haben soll. Die Sicherung der Arbeitsplätze und die Zukunft des Unternehmens als solches sollen ihm bei den Verhandlungen besonders am Herzen gelegen haben, heißt es.

Die „Tiroler Tageszeitung“ zitiert Geschäftsführer Gratl mit den Worten, dass Gründer Koch sogar auf Geld verzichtet habe – zugunsten der Langfrist-Perspektive für jenes Unternehmen, das seinen Namen trägt.

THQ Nordic will Koch Media eigenständig fortführen

Was ändert sich nun durch die XXL-Übernahme für Studios, Partner, Handel und Spiele-Kunden? Vorerst wenig. Alle Standorte, Strukturen, Mitarbeiter, Marken und Projekte sollen in der bisherigen Form fortgeführt werden, in Form zweiter separater Einheiten.

Sprich: Koch bleibt Koch – und THQ Nordic bleibt THQ Nordic. Um Verwechslungen zu vermeiden, soll lediglich die an der Börse notierte Aktiengesellschaft – also THQ Nordic AB – demnächst einen neuen Namen bekommen.

Wo sich Potenzial zur Zusammenarbeit und Margen-Optimierung abzeichnet, will man es natürlich nutzen, wie es in der Ankündigung heißt. Dabei helfen soll THQ-Nordic-CEO Erik Stenberg, der das bisherige Geschäftsführer-Duo Kundratitz und Gratl ergänzt.

Und noch eine Neuerung: Bislang galt Koch Media als vergleichsweise verschwiegen. Weil das Unternehmen komplett in privater Hand war, gelangten ganz selten Kennzahlen – Umsatz, Gewinn, Kostenstruktur, Personalentwicklung, Verkaufszahlen – an die Öffentlichkeit.

Durch die Veröffentlichungspflichten einer Börsennotierung ändert sich das schlagartig. So war beispielsweise zu erfahren, dass ein Viertel des aktuellen Koch-Umsatzes aus dem eigenen Games-Geschäft stammt, zwei Drittel aus dem Partner-Publishing (also dem Vertrieb von Software anderer Hersteller) und nur noch 8 Prozent aus dem Film-Sektor mit seinen mehr als 1.500 TV-Serien und Filmrechten.

Ein mächtiger Krieger begrüßt die Besucher der THQ-Nordic-Filiale im Herzen Wiens.
Ein mächtiger Krieger begrüßt die Besucher der THQ-Nordic-Filiale im Herzen Wiens.

Langfristige Geschäftsbeziehungen zwischen THQ Nordic und Koch Media

Käufer und Verkäufer kennen sich im Übrigen ziemlich gut: Seit Mai 2017 ist Koch Media der offizielle Vertriebspartner von THQ Nordic für große europäische Spiele-Märkte, darunter Deutschland, Österreich, die Schweiz, Italien, Belgien und die Niederlande.

Den Auftakt der Zusammenarbeit bildete ausgerechnet das Piranha-Bytes-Rollenspiel „ELEX“, das THQ Nordic vorfinanziert hatte. Zuvor war Koch Media via Deep Silver mehr als ein Jahrzehnt lang der Publisher der „Risen“-Spiele von Piranha Bytes, ehe sich die Essener für THQ Nordic entschieden. Unterm Strich sind seit 14. Februar wieder alle Rechte in einer Hand.

„Wir verfolgen die Erfolgsgeschichte von THQ Nordic und die Entwicklung ihres spannenden Line-Ups schon seit geraumer Zeit“, lobte Koch-Media-Chef Kundratitz bei Bekanntgabe des THQ-Nordic-Vertriebs-Deals im Mai 2017.

Aus heutiger Sicht muss man feststellen: Umgekehrt war es offenbar genauso.