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Spil Games: Operation am offenen Herzen

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Tung Nguyen-Khac, CEO von Spil Games
Tung Nguyen-Khac, CEO von Spil Games

Groß geworden ist Spil Games mit Casualgames-Portalen – dann kam das iPhone, gefolgt von einer schmerzhaften Restrukturierung. In drei Jahren hat CEO Tung Nguyen-Khac den Free2play-Spezialisten zum stramm wachsenden Mobile-Spezialisten umgebaut. Der Erfolg kam unter anderem mit einer Krankenhaus-Simulation.

[no_toc]„Umstyling Extrem“, „Schurken-Prinzessin“, „Kaufsüchtig: Strandmodels“, „Prinzessin: Beliebt in der Schule“: Diese und viele weitere quietschbunte Free2play-Flash-Spiele finden Teenies auf PC-Plattformen wie Girlsgogames. Vergleichbare Portale gibt es auch für andere Märkte – auf Italienisch, Französisch, Polnisch oder Russisch. Einige richten sich speziell an Jungs, andere wiederum an Familien.

Betrieben werden diese Websites von Spil Games. Noch immer sehen sich die Holländer als Marktführer im Bereich Casualgames-Portale. „Durch die Verschiebung der Mediennutzung – von Online-Desktop auf Mobile – sehen wir natürlich einen Rückgang, Jahr für Jahr. Im Moment sind wir immer noch bei 70 bis 80 Millionen Usern, die sich monatlich einloggen“, sagt CEO Tung Nguyen-Khac. „Aber wir wissen natürlich auch, dass die Zukunft in Mobile liegt.“

Spil Games: Von Null auf Appstore in drei Jahren

Seit April 2015 – also seit genau drei Jahren – steht der Manager an der Spitze von Spil Games. Zuvor war Nguyen-Khac in gleicher Funktion für die Games-Sparte von ProSiebenSat.1 tätig, die 2016 an Gamigo verkauft wurde. An seiner Seite ist COO Timm Geyer, der mit Nguyen-Khac bereits bei Hamburger Browsergame-Firmen wie Bigpoint und Splitscreen Studios zusammengearbeitet hat.

Als er zu Spil Games gekommen sei, habe er nicht nur den Auftrag bekommen, das Unternehmen grundlegend zu restrukturieren, sondern es auch zu einem Mobile-First-Player zu machen – also die Desktop-Games auf Mobile zu transferieren. Eine Aufgabe, vor der gerade in Deutschland viele Studios standen und weiterhin stehen – Gameforge, Upjers, InnoGames, Goodgame Studios, Travian Games und viele weitere. Nicht immer ging dieser Prozess ohne Schmerzen vonstatten.

Inzwischen meldet Spil Games über 300 Millionen Installs – eine glatte Versechsfachung in zweieinhalb Jahren. Wie haben die das gemacht?

Spil-Games-CEO Nguyen-Khac: „Wir sind etwas spät auf die Party gekommen.“

Mobilegames-Entwickler wie Supercell, Zynga, InnoGames oder Wooga betreiben ein vergleichsweise übersichtliches Sortiment – es gibt Jahre, in denen kein einziges neues Spiel erscheint.

Anders bei Spil Games: „Wir haben einen Portfolio-Ansatz, sprich: Wir wollen diversifizieren“, sagt Nguyen-Khac im GamesWirtschaft-Gespräch.

Der Grund: „Wir sind etwas spät auf die Party gekommen, weil wir ja erst 2015 so richtig mit Mobilegames losgelegt haben. Da hatte der Markt bereits ein starkes Momentum. Gleichzeitig haben wir viele Assets und Marken, die ein gutes Fundament gebildet haben. Das heißt, für uns gab es strategisch ganz andere Voraussetzungen als für eine Firma, die mit nur einem Spiel anfängt und sich nur darum kümmert.“

Co-Development-Modell statt eigener Entwicklung

Spil Games hat keine eigenen Studios, sondern betreibt ein Co-Development-Modell. Im ersten Schritt werden erprobte Gameplay-Mechaniken und unverwüstliche Themenwelten identifiziert und analysiert – im Falle von „My Dolphin Show“ sind das zum Beispiel Delfine, bei „Uphill Rush“ sind es Wasserrutschen. Im zweiten Schritt entwickelt ein Spil-Games-Team aus Produzenten, Monetarisierungs-Experten und Spieldesignern ein Gamedesign-Dokument. Auf dieser Basis wird dann weltweit nach dem passenden Entwicklerteam gefahndet, das dann die Umsetzung übernimmt.

Nicht alles funktioniert gleichermaßen gut, manches floppt, doch zuletzt hat Spil Games gleich mehrfach ein glückliches Händchen bewiesen – und das fast ausschließlich auf organischem Wege, also ohne teuren Einkauf von williger Kundschaft.

Überraschend gut lief zum Beispiel „Troll Face Quest“, das insbesondere bei Influencern super angekommen sei: „Das Spiel trifft den Nerv der Zielgruppe. Wir dachten zunächst, das Thema wäre eher nischig, aber inzwischen haben wir mehr als 100 Millionen Installs.“

„Operate Now“: Tupfer, Klemme, Skalpell

Ähnlich nischig mutet „Operate Now“ an, eine Ärzte-Simulation, in der sich vom Auge übers Knie bis zum offenen Herzen ungefähr alles operieren lässt, eingebettet in ein Krankenhaus-Aufbauspiel. Im Gegensatz zu den meist werbefinanzierten Spil-Games-Titeln erfolgt die Refinanzierung über In-App-Käufe.

Ähnlich wie bei den meisten App-Anbietern erreicht Spil Games via Android deutlich mehr User, doch auf Apple-Modellen sei die Monetarisierung deutlich besser. „Die Bereitschaft, tatsächlich Geld auszugeben, ist auf iOS einfach höher – sowohl bei den Geräten als auch bei den Apps“, weiß der CEO.

In diesem Jahr will das Team von Tung Nguyen-Khac noch drei weitere Titel starten – und hofft natürlich, „dass der eine oder andere Titel dabei ist, der das Zeug hat, zur Marke zu werden.“

Jede neue Plattform ein potenzieller Gamechanger

Derzeit beschäftigt Spil Games rund 150 Angestellte am Standort Hilversum. „Wir würden uns freuen, wenn es für Spil Games weiterhin so gut läuft wie aktuell, denn der Markt ist natürlich nicht einfacher geworden. Wir hören, dass vielerorts eine gewisse Konsolidierung einsetzt und es einzelnen Studios nicht so gut geht, die dann auch Entlassungen vornehmen müssen – und das wollen wir natürlich unter allen Umständen vermeiden, weil wir diese positive Kultur und dieses positive Momentum aufrecht erhalten möchten.“

Auch in Zukunft will Nguyen-Khac so behutsam, vorsichtig und bodenständig wie möglich vorgehen, dabei aber alle Segmente im Blick behalten, etwa Messenger Games. Schließlich wisse er aus seiner eigenen Historie, dass jede neue Plattform und jedes neue Gerät ein potenzieller „Gamechanger“ sein kann. „Ich habe mit Browsergames angefangen, das lief sehr gut, dann kamen plötzlich die Social Games via Facebook, ein Jahr später dann das iPhone. Als dann 2011 In-App-Purchases möglich waren, hat auch das nochmal alles verändert und den Markt wachsen lassen. Das heißt, wir schauen immer links und rechts, was als nächstes kommen könnte.“