Neue Strategie, neue Struktur, weniger Mitarbeiter: Marketingvorstand Olaf Bernhard erklärt im Interview, warum Gameforge die Appstore-Notbremse zieht.

[no_toc]Die Meldungen über einen umfassenden Stellenbau bei Gameforge haben nicht nur in Karlsruhe für Unruhe gesorgt. Hauptgrund: Das Unternehmen verabschiedet sich komplett aus der Entwicklung und der Vermarktung von Spielen für Smartphones und Tablets – ausgerechnet jenes Marktsegment, das Mitbewerber wie Bigpoint oder Innogames als Kern ihrer künftigen Strategie ausgegeben haben. Auch Gameforge-Gründer Klaas Kersting setzt mit seiner Karlsruher Firma Flaregames auf die Mobile-Karte. Künftig will sich Gameforge ganz auf das Publishing von PC-Spielen konzentrieren.

Das lässt Fragen aufkommen – GamesWirtschaft hat sie Olaf Bernhard gestellt. Er ist Vice President Marketing, seit fast zehn Jahren für Gameforge tätig und kennt das Unternehmen wie nur wenige andere. Die Gameforge-Website weist ihn als Erfinder des „Jetzt kostenlos mitspielen“-Buttons aus.

Im Interview erklärt Bernhard, warum sich Gameforge aus den Appstores zurückzieht, wie der Traditions-Publisher umgebaut wird und wie die künftige Strategie aussieht.

Gameforge Marketingvorstand Olaf Bernhard: „Auf lange Sicht für uns zu wenig Potenzial im Mobilegames-Markt.“

GamesWirtschaft: Gameforge-CEO Alexander Rösner wird mit den Worten zitiert, der Markt für Mobile-Games sei „sehr viel härter und unbeweglicher“ geworden. Mutmaßlich sind damit die gesunkene Sichtbarkeit im Appstore und die gestiegenen Marketingkosten gemeint. Gibt es weitere Gründe, die den Rückzug aus dem Mobilegames-Segment unausweichlich haben erscheinen lassen?

Bernhard: Um mal eine branchenfremde Metapher zu bemühen: Die Fernseheinnahmen der Bundesligisten machen es schwierig für Vereine aus der zweiten Liga, sich dauerhaft im Oberhaus zu etablieren. Die Finanzbasis der zweiten lässt es kaum zu, in den Kreis der gut verdienenden Erstligisten zu stoßen. Nicht umsonst konnte in den letzten sieben Jahren nur ein Zweitligist die Relegation gewinnen.

Ähnlich ist es im Mobilemarkt. Die Platzhirsche haben große Einnahmen, exzellente Kenntnisse über ihre User, belastbare Beziehungen mit den Plattformen und umfassende Cross-Promotion-Möglichkeiten über die Portfolios. Dort dauerhaft Sichtbarkeit zu erlangen, ist immens teuer.

Wir haben uns sehr bemüht, mitzuhalten, mit Eigenentwicklungen und Publishing-Titeln, waren sogar eine Zeitlang gar nicht schlecht dabei, besonders auf Android, aber auf lange Sicht sehen wir für uns wenig Potenzial.

Olaf Bernhard: „Keine Eigenentwicklung neuer Spiele bei Gameforge“

Gameforge will sich künftig nur noch dem Publishing widmen – und hier wiederum von PC-Titeln. Heißt: Am Standort Karlsruhe werden künftig keine neuen Spiele mehr entwickelt?

Wir haben in Karlsruhe schon lange – außer Mobilegames – keine Spiele mehr entwickelt. Wir haben natürlich Entwickler in den Live-Ops-Teams, das soll auch so bleiben, aber komplette Spiele werden wir nicht mehr angehen.

Wir wollen uns auf die Stärken besinnen, die unseren Erfolg befördert haben: Produktmanagement, Performance Marketing, Live Ops, Community Management, klassische Publishing-Tätigkeiten.

Alexander Rösner spricht von „interessanten Opportunitäten“ im PC-Markt. Liegt der Schwerpunkt hier weiterhin auf Free2play-Titeln oder ist auch der Zukauf von Kauf-/Abo-Titeln denkbar?

Wir haben große Hoffnungen für den PC-Markt und auch eine neue Strategie, die mit einer Reihe von Gewohnheiten der Gameforge bricht – Details dazu können wir aber jetzt noch nicht bekannt geben.

Olaf Bernhard: „Stellenabbau trifft auch Teams mit profitablen Produkten“

Bis wann soll die Neustrukturierung abgeschlossen sein? Wurden alle vom Stellenabbau betroffenen Abteilungen und Mitarbeiter bereits informiert oder steht dies noch aus?

Wir möchten an dieser Stelle nicht so gern interne Vorgänge offenlegen. Wir haben aber selbstverständlich – schon im Interesse der Mitarbeiter – nicht vor, den Prozess lange hinzuziehen. Wir haben am Montag informiert, der Rest der Woche ist Gesprächen mit den Betroffenen gewidmet.

Wir arbeiten mit externer Hilfe, um umfassende Angebote auch im Bereich Vermittlung und Weiterbildung machen zu können. Es ist uns sehr wichtig, dass so viele Kollegen wie möglich bald wieder einen Job haben.

Nach unseren Informationen betrifft der Stellenabbau nicht nur den Mobilegames-Bereich, sondern in erheblichem Umfang auch die Teams der MMORPGs und Browsergames, also AION, TERA, OGame. Trifft das zu? Und welche Veränderungen ergeben sich durch den Umbau im Gameforge-Vorstand und -Management?

Die Schließung der Mobile-Sparte ist der wesentliche Baustein, doch die im Gesamtkontext ebenfalls essentielle Fokussierung auf das Publishing von PC-Titeln macht eine darüber hinausgehende grundlegende Restrukturierung notwendig. Sehr viele Leute in der Organisation – vom Mitarbeiter bis zum Management – erhalten andere Aufgaben, manches fällt weg, anderes kommt neu dazu.

Daher betrifft der Stellenabbau nicht nur Mobile direkt, sondern auch zentrale Bereiche und sogar Teams mit profitablen Produkten. Letzteres mag auf den ersten Blick widersinnig erscheinen, aber in der neuen Struktur werden wir mit weniger Redundanz größere Schlagkraft entwickeln.

Über Details dazu kann ich jetzt noch nicht sprechen, sonst würde ich den internen Prozessen vorgreifen. Zudem gilt unsere vordringlichste Sorge derzeit den Kollegen, die vom Abbau betroffen sind.