Start Sport „Angriff auf Autonomie des Sports“: DOSB rügt Koalitionsvertrag – Update

„Angriff auf Autonomie des Sports“: DOSB rügt Koalitionsvertrag – Update

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Der DOSB kritisiert die fehlenden Vereinsstrukturen im eSport (hier bei den Playoffs der Virtuellen Bundesliga 2018, Foto: Felix Gemein)
Der DOSB kritisiert die fehlenden Vereinsstrukturen im eSport (hier bei den Playoffs der Virtuellen Bundesliga 2018, Foto: Felix Gemein)

Ausgesprochen ungehalten reagiert der Olympische Sportbund auf den Plan der Bundesregierung, den eSport „vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anzuerkennen“ – dies untergrabe die Autonomie des Sports. Der eSport-Bund Deutschland hält die DOSB-Kritik wiederum für „nicht verständlich“.

[no_toc]Dem „populären Zeitgeist“ sei der eSport-Abschnitt im Koalitionsvertrag geschuldet, spöttelt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in seiner Willkommens-Botschaft an die neue Bundesregierung. Hintergrund: In ihrem Regierungsprogramm haben Union und SPD vereinbart, dass sie die Rahmenbedingungen für die eSport-Branche verbessern wollen. Insbesondere soll es leichter werden, einen eSport-Verein zu gründen und zu betreiben. Darin will der DOSB einen klaren Angriff auf die Autonomie des Sports erkennen.

Ähnliche scharfe Kritik am Vorpreschen der Koalitionäre kam bereits Mitte Februar vom Landessportbund Hessen. Dessen Präsident Rolf Müller ließ per Pressemitteilung ausrichten, er hätte sich gewünscht, „dass die Interessen des organisierten Sports mit derselben Verve in diesem Vertrag formuliert worden wären, wie die kommerziellen Interessen der Computerspiel-Branche.“

Die Argumente sind nahezu wortgleich mit der Linie von DFB-Präsident Reinhard Grindel: Der Deutsche Fußballbund sieht „FIFA 18“ & Co. als Gefahr für die Nachwuchsarbeit in den Vereinen – dort geht die Zahl der Juniorenmannschaften konstant zurück.

DOSB: Koalitionsvertrag ist Angriff auf Sport-Autonomie in Deutschland

Dass die Politik ein Segment, das in Deutschland bislang nicht als Sport anerkannt ist, auf eigene Faust „vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht“ ausstatten will, lässt bei führenden Sportfunktionären die Alarmglocken schrillen. Schließlich geht es um nicht weniger als eines der wichtigsten Privilegien, die sich der Sportbetrieb in den vergangenen Jahrzehnten erstritten hat.

Als Sport gilt üblicherweise nur das, was der DOSB anerkennt – und die Hürden sind hoch. So nimmt der DOSB nur dann weitere Spitzenverbände auf, wenn diese mindestens 10.000 Mitglieder vertreten, eine olympische Disziplin ausüben oder als gemeinnützig anerkannt sind. Bislang vertritt die Dachorganisation des deutschen Sports die Interessen von mehr als 90.000 Vereinen mit 27 Millionen Mitgliedschaften.

Noch im Februar hatte DOSB-Vizepräsident Walter Schneeloch durchblicken lassen, dass der Sportbund „dem Phänomen aufgeschlossen“ gegenüber stehe. Bislang gäbe es allerdings Hürden, etwa die fehlende Vereinsstruktur.

eSport-Bund (ESBD) hält Kritik des DOSB für unbegründet

Als „nicht verständlich“ bezeichnet Hans Jagnow die Kritik des DOSB. Der Präsident des eSport Bund Deutschland (ESBD) begrüßt den politischen Willen, dass der eSport endlich auf der sportlichen Agenda steht. Der Vorgang sei allerdings nicht als Angriff auf den organisierten Sport zu verstehen. Dem ESBD sei ebenso wie dem DOSB an einem ergebnisoffenen, dialoghaften Prozess gelegen.

Gleichzeitig sei die Politik gefordert, den eSport möglichst schnell als Sport und damit als gemeinnützig anzuerkennen. Erst dies schaffe überhaupt die Voraussetzungen, einen möglichen Aufnahmeprozess in Gang zu setzen, betont Jagnow.

Noch völlig offen ist allerdings, welche Disziplinen überhaupt unter den wattigen Begriff eSport fallen und Anerkennung finden sollen. So hat beispielsweise IOC-Präsident Thomas Bach kategorisch ausgeschlossen, dass gewalthaltige Videospiele einen Platz bei Olympia haben. „Wir werben für den Kampf gegen Diskriminierung, für Gewaltfreiheit und Frieden unter den Menschen. Diese Ziele vertragen sich nicht mit Videospielen, in denen es um Gewalt, Explosionen und ums Töten geht. Und deshalb ziehen wir hier eine klare Linie“, so Bach.

Einflussreiche Sponsoren wie der chinesische Internet-Riese Alibaba mit kommerziellem Interesse an einer eSport-Einbindung bei Olympia setzen daher mittlerweile auf Sport- und Rennsimulationen – also Disziplinen, die im Vergleich zu Action-Spielen wie „Counter-Strike“, „Overwatch“ oder „PlayerUnknown’s Battlegrounds“ eine verschwindend geringe Bedeutung für den globalen eSport haben.

Update vom 23. März 2018: Branchenverband Game wirbt für „Miteinander statt Gegeneinander“

Der Game-Verband hat sich in die aktuelle Debatte um die politische Dimension eSport mit einer Stellungnahme eingeklinkt. Nach den Worten von Game-Geschäftsführer Felix Falk würden sich eSport und klassische Sportarten „hervorragend ergänzen“. Der digitale Sport sei ein „wichtiger Brückenbauer zwischen den Strukturen des klassischen Sports und der jungen, digital-affinen Generation.“

„Wer Fußball liebt, wird sowohl im Verein selbst die Schuhe schnüren als auch digital gegen den Ball treten. Das zeigt nicht zuletzt die große Anzahl an begeisterten Gamern unter den Profifußballern“, so Falk.

Die Angriffe von Vertretern des organisierten Sports seien daher unverständlich. Der Vorstoß der Großen Koalition mit Blick auf die Gemeinnützigkeit von eSport-Vereinen eröffne auch bestehenden Sportvereinen, den digitalen Sport aufzunehmen.

1 Kommentar

  1. Gewaltverherrlichende Spiele keinen Platz bei Olympia. Aber Kampfsport ist ok. Ok cool. Viel witziger ist es eigentlich, dass auch wenn es den alten Säcken nicht bewusst ist, eSports nicht Olympia braucht sondern Olympia den eSports.

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