Start Meinung Kommt die Anzeigepflicht? Was Letsplayer jetzt wissen müssen

Kommt die Anzeigepflicht? Was Letsplayer jetzt wissen müssen

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Medienanwalt Thorsten Hemme von der Kölner Kanzlei CMS Hasche Sigle
Medienanwalt Thorsten Hemme von der Kölner Kanzlei CMS Hasche Sigle

Ersetzt die Anzeigepflicht die Rundfunklizenz? Der Kölner Medienanwalt Thorsten Hemme fasst den aktuellen Stand zusammen und gibt Tipps, wie Twitch-Letsplayer jetzt am besten vorgehen.

[no_toc]Benötigen Streaming-Angebote eine Rundfunklizenz? Nachdem die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen (NRW) mehrere Letsplayer aufgefordert hatte, eine Rundfunklizenz zu beantragen, war die Entrüstung groß.

Schnell bestand allgemeine Einigkeit darüber, dass Streaming-Angebote von der Lizenzpflicht ausgenommen werden sollten. Selbst die Landesmedienanstalt NRW ist dieser Auffassung, weist aber darauf hin, dass sie geltendes Recht umsetzen muss.

Es ist somit absehbar, dass sich der Rechtsrahmen für Streaming-Angebote in – wahrscheinlich nicht allzu naher – Zukunft ändern wird. Aktuell stellt sich vor allem die Frage, wie mit der aktuellen Rechtslage umzugehen ist und ob Möglichkeiten bestehen, die Beantragung einer Rundfunklizenz zu vermeiden.

Benötigen Streaming-Angebote eine Rundfunklizenz?

Was gilt aktuell?

Nach den maßgeblichen Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags sind Streaming-Angebote dann lizenzpflichtig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Das Angebot wird linear verbreitet. Die Zuschauer können das Angebot also nicht nach ihrer Wahl („on demand“) abrufen. Betroffen hiervon sind vor allem Live-Streams, wie sie etwa bei Twitch angeboten werden.
  2. Das Angebot kann von mehr als 500 Zuschauern gleichzeitig gesehen werden.
  3. Das Angebot ist redaktionell gestaltet.
  4. Das Angebot muss regelmäßig verbreitet werden. Gelegentliches Streaming ist damit von der Lizenzpflicht ausgenommen.

Für das Erteilungsverfahren wird von der zuständige Landesmedienanstalt eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 1.000 bis 10.000 Euro erhoben. Die konkrete Höhe bemisst sich dabei vor allem am wirtschaftlichen Erfolg des jeweiligen Angebotes. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beantragung einer Rundfunklizenz eine recht individuelle und komplexe Angelegenheit ist. Formulare existieren nicht.

Es ist vielmehr Aufgabe des jeweiligen Antragstellers, darzulegen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Lizenz vorliegen. Ein komplizierter Vorgang, der im Einzelfall ohne erfahrene rechtliche Unterstützung kaum machbar ist.

Jugendschutz- und Kennzeichnungspflichten unabhängig von Rundfunklizenz

Abgesehen davon spricht vergleichsweise wenig dagegen, eine Rundfunklizenz zu beantragen. Die zum Teil aufgestellte Behauptung, dass Streaming-Angebote mit der Erteilung einer Rundfunklizenz weitreichenden zusätzlichen Restriktionen unterworfen werden, ist jedenfalls nicht korrekt.

Tatsächlich bestehen die rechtlichen Anforderungen an Streaming-Anbieterunabhängig davon, ob das Angebot als Rundfunk oder als klassisches Telemedium behandelt wird. Die Regelungen zum Jugendschutz und die Kennzeichnung von Werbung gelten in jedem Fall.

Zwar können im Einzelfall – etwa durch abweichende Entscheidungspraxen der zuständigen Behörden beziehungsweise Gerichte – Unterschiede im Detail bestehen. Die pauschale Behauptung, dass mit der Erteilung der Lizenz weitreichende – zusätzliche – Einschränkungen verbunden sind, ist aber nicht richtig.

Anzeigepflicht statt Rundfunklizenz für Live-Streaming: Wie schätzt die Politik die Lage ein?

Sowohl in der Praxis als auch in der Politik herrscht weitgehend Einigkeit, dass die Lizenzpflicht für Streaming-Angebote zukünftig entfallen soll. So wird in dem Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ausgeführt, dass die Regeln für Streaming-Dienste an das digitale und konvergente Zeitalter angepasst werden sollen. Mit der Folge, dass die Lizenzpflicht entfällt.

Entsprechend äußern sich auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber in einem Blogbeitrag und der medienpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Martin Dörmann, auf einer Konferenz im Rahmen der Gamescom.

Selbst die Landesmedienanstalt NRW (die den Stein erst ins Rollen gebracht hatte) teilt diese Auffassung: So ließ deren Direktor Tobias Schmid im Kölner Stadtanzeiger durchblicken, dass er die aktuelle Gesetzeslage nicht mehr für zeitgemäß hält. Die Info-Website der Landesmedienanstalt NRW, die speziell für die Verfahren gegen die Streaming-Anbieter eingerichtet wurde, schreibt ebenfalls, dass die Zulassungspflicht durch eine qualifizierte Anzeigepflicht ersetzt werden sollte.

In die gleiche Richtung geht auch eine Pressemitteilung der Kommission für Zulassung und Aufsicht, in der der Vorsitzende mit den Worten zitiert wird, dass es zu einer (nicht näher spezifizierten) Anpassung der Gesetze kommen sollte.

Rundfunklizenz für Live-Streaming: Was soll sich mit der Anzeigepflicht ändern?

Aller Voraussicht wird die Rundfunklizenz für Streaming-Angebote entfallen. Stattdessen wird es wohl auf eine – qualifizierte (das heißt mit erhöhten Anforderungen an die bereitzustellenden Informationen verbundene) – Anzeigepflicht hinauslaufen.

Die Aufnahme des Streamings wäre damit nicht mehr abhängig von der (vorherigen) Einholung einer Rundfunklizenz. Ob die stattdessen erforderliche Anzeige für die Streamer mit einem geringeren Aufwand verbunden ist, muss sich noch zeigen. Das wird von den Anforderungen abhängen, die im Rahmen der Anzeige abgefragt werden: Beließe es der Gesetzgeber hier bei einfachen Informationen zu Veranstalter und Inhalt des Streaming-Angebotes (Namen und Anschrift des Veranstalters, Art des Contents und dessen Verbreitung), könnte die Anzeige mit relativ geringem Aufwand selbst durchgeführt werden.

Wenn aber nach der neuen Rechtslage ebenfalls Angaben über Beteiligungsverhältnisse oder sonstige aus medienkonzentrationsrechtlichen Gründen relevante Informationen (zum Beispiel Verflechtungen mit anderen Medienunternehmen) bereitgestellt werden müssten, könnte auch die qualifizierte Anzeige erheblichen Aufwand und spezifische Sachkenntnis erfordern.

Denkbar ist auch, dass auch noch die Zahl der Zuschauer pro Stream (derzeit: potenziell 500) erheblich erhöht wird, bis ein Streamer sein Angebot melden muss. Ein weiterer Aspekt, der wahrscheinlich angepasst wird, ist die Umstellung von der potentiellen auf die tatsächliche Reichweite des Streamers. Bisher wird die potenzielle Reichweite als Kriterium herangezogen. Aus dieser Änderung könnten sich vor allem für kleinere Streamer deutliche Erleichterungen ergeben.

Anzeigepflicht statt Rundfunklizenz: Die nächsten Schritte

Und bis dahin?

Da bis zu einer Änderung des Rundfunkstaatsvertrags aller Voraussicht noch einige Zeit ins Land gehen wird (auszugehen ist hier eher von Jahren als Monaten), stellt sich die Frage, wie in der Zwischenzeit verfahren werden soll.

Neben der Beantragung einer Rundfunklizenz könnten Streamer versuchen, sich gegen die Einstufung ihres Streaming-Angebots als Rundfunk im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags zur Wehr zu setzen.

Je nach Ausgestaltung des Angebots könnten Streamer zum Beispiel argumentieren, dass sie ihre Angebote weder redaktionell aufbereiten noch regelmäßig (monatlich, wöchentlich) veröffentlichen. In diesem Fall wären zwei der wichtigsten Kriterien für die Rundfunklizenz nicht erfüllt. Ob und inwieweit eine solche Argumentation durchgreifen würde, hängt dabei natürlich vom jeweiligen Einzelfall ab.

Zudem könnten Streaming-Anbieter auch Maßnahmen in Betracht ziehen, die dazu führen, dass sie aus dem Anwendungsbereich des Rundfunkstaatsvertrags und der Zuständigkeit der Landesmedienanstalten herausfallen. Dann allerdings dürfte eine Verlagerung der Redaktion des Streaming-Angebots in das (nicht-europäische) Ausland erforderlich sein, was wiederum mit einem nicht unerheblichen Aufwand einhergehen dürfte.

Rundfunklizenz: Ermessensspielraum der Behörden

Schließlich können Streamer auch jederzeit versuchen, im Dialog mit der zuständigen Behörde Rechtsicherheit zu schaffen. Vor dem Hintergrund der oben aufgeführten Äußerungen der Landesmedienanstalt NRW (Kölner Stadtanzeiger und Info-Website) kann man davon ausgehen, dass sich die zuständigen Behörden der Defizite des rechtlichen Rahmens bewusst sind und rechtlich zulässige Lösungsvorschläge eher nicht verweigern würden.

Dazu gehört auch die oben ausgeführte Argumentation über die redaktionelle Aufbereitung und regelmäßige Verbreitung der Inhalte. Ausgangspunkt hierfür könnte etwa die einschränkende Auslegung der Tatbestandsmerkmale „redaktionell“ und „regelmäßig“ sein. Denkbar wäre auch, dass die Behörde Verwaltungsverfahren ruhen lässt oder erklärt, dass sie nur eingeschränkte Maßnahmen ergreifen wird (Selbstbindung des Ermessens).

Fazit: Es bleibt spannend. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die zukünftige Rechtslage, sondern vor allem auch im Hinblick auf den Umgang der Behörden mit der derzeitigen – nahezu einhellig abgelehnten – Rechtslage. Welche Lösung für den jeweiligen Anbieter letztlich die Beste ist, hängt letztlich natürlich vor allem auch von dessen individueller Situation und dessen individuellen Streaming-Angebot ab.

GamesWirtschaft-Kolumnen spiegeln stets die Meinungen und Einschätzungen der Autoren wider und entsprechen nicht zwingend der Meinung der Redaktion.

Über den Autor: Thorsten Hemme ist Anwalt bei der Kölner Kanzlei CMS Hasche Sigle und Spezialist für den Fachbereich Online und Digital Business.

Weitere Informationen rund um das Thema Rundfunklizenz und Live-Streaming lesen Sie in folgenden Beiträgen: