Kleingedrucktes, das niemand liest. Produkte, die selbst Profis nicht verstehen. Prognosen, an die nicht mal der Ersteller glaubt: 20 Jahre nach dem Neuen Markt und 10 Jahre nach Lehman könnte sich Geschichte wiederholen – diesmal mit Crowdfunding via Kryptowährung.

Fröhlich am Freitag 16/2018: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

nehmen wir für einen kurzen Moment an, Sie hätten bei einem Autohändler ein neues Fahrzeug bestellt. Kurz vor Bereitstellung überweisen Sie das Geld und machen sich zwei Tage später auf den Weg, um wie vereinbart das Fahrzeug abzuholen. Als Sie beim Händler ankommen, ist der Firmenparkplatz leer, das Gebäude verwaist, die Website offline und telefonisch ist niemand erreichbar. Stattdessen meldet sich der Händler per Whatsapp mit einem Foto, das ihn feixend und cocktailschlürfend am Strand zeigt, verbunden mit einem herzlichen Dankeschön für die Überweisung des Geldes.

Just in dem Moment, in dem Sie darüber nachdenken, Anwalt und Polizei einzuschalten, löst der Händler den Spuk auf: Hihi, alles nur ein PR-Gag, er habe lediglich seine Kunden darauf aufmerksam machen wollen, dass im Kfz-Bereich ganz schön viele schwarze Schafe unterwegs sind.

Jetzt haben Sie einen ungefähren Eindruck, wie sich einige tausend Spekulanten und Anleger gefühlt haben müssen, die ihr Geld dem Frankfurter Finanz-Startup Savedroid anvertraut und 24 Stunden lang um ihr Kapital gebangt haben. 40 Millionen Euro soll die Firma in den vergangenen Monaten eingesammelt haben – und zwar via ICO, Initial Coin Offering, eine Art Crowdfunding, nur eben mit virtuellem Geld, also Kryptogeld, Cybergeld, Digitalwährung, Fantasiewährung, wie immer Sie es nennen wollen. Weitgehend unreguliert, weitgehend unbeaufsichtigt, weitgehend hochspekulative Alles-oder-nichts-Wetten im hell- bis dunkelgrauen Bereich des Kapitalmarkts.

Nun muss man mit niemandem Mitleid haben, der in Erwartung hoher Wertsteigerungen darauf wettet, dass er in kurzer Zeit seinen Einsatz vervielfacht – denn um nichts anderes geht es bei den allermeisten ICOs. Dabei hätte es des fingierten Raubzugs seitens Savedroid gar nicht bedurft, um auf die Risiken der Branche hinzuweisen: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) warnt seit Monaten, dass bei derartigen Instrumenten der gar nicht mal so unrealistische Totalverlust droht.

Mittlerweile vergeht keine Woche ohne Pressemitteilung, in der ein nationaler oder internationaler Akteur der Games-Industrie eine eigene Cyberwährung ankündigt oder bewirbt. In den wenigsten Fällen erschließt sich, warum das jeweilige Geschäftsmodell zwingend eine energieintensive Blockchain-Mechanik erfordert.

All diese Firmen werben um Vertrauen – ins Management, ins Produkt, aber insbesondere in die Währung. Und gerade die ist immer nur so viel wert wie das Vertrauen, das Menschen und Märkte in sie setzen, egal ob Bitcoin, Bolívar oder Euro. Im Worst Case – der sich demnächst zum zehnten Mal jährt – sahen sich einst Kanzlerin und Finanzminister genötigt, vor die Mikrofone zu treten und „den Sparerinnen und Sparern“ mit ernster Miene zu versichern, dass ihre Einlagen ganz schön sicher seien. Alles nur, um eine Panik in Form eines „bank runs“ in Folge der Lehman-Pleite zu vermeiden.

Zuletzt mehren sich wieder Forderungen nach Regulierung und Aufsicht im Krypto-Business, um Exzesse einzudämmen. Allzu große Hoffnungen sollte man nicht daran knüpfen. Die Erfahrungen des Börsensegments „Neuer Markt“ sind nur ein Beispiel dafür, dass hübsch gestaltete Prospekte nicht zwangsläufig vor Gier, Naivität, Unerfahrenheit und fortgeschrittenem Halunkentum bis hin zur Kriminalität schützen.

Wie schon der wegen Kreditbetrugs und Untreue verurteilte Gründer der „Moorhuhn“-AG Phenomedia gesagt haben soll: „Wir haben ein Spiel gespielt. Monopoly – aber mit echtem Geld.“

Ein erholsames Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

Bisherige Folgen von „Fröhlich am Freitag“:

  • 15/18: Sieger der Herzen
  • 14/18: Blockbuster – Erfolg in Serie
  • 12/18: Der China-Kracher von Ubisoft
  • 11/18: Vorgetäuscht und vorgeführt
  • 10/18: Per Flugtaxi zur Gamesförderung
  • 09/18: Das spielende Klassenzimmer
  • 08/18: Endlich volljährig
  • 07/18: Winterschlussverkauf
  • 06/18: Reset für die Games-Republik Deutschland
  • 05/18: Die mächtigste Lobby fürs schönste Hobby
  • 04/18: Winner Winner McChicken Dinner
  • 03/18: Nintendo switcht zum Kartonagen-Hersteller
  • 02/18: Das geht ja gut los
  • 50/17: Der Subventions-Autopilot
  • 49/17: Die Spiele-Könige aus Schweden
  • 48/17: Russisch Roulette mit Lootboxen

1 Kommentar

  1. Schweinezyklus deluxe! Ich verstehe nicht, wieso all die „kleinen, neuen Anbieter“ denken, dass da draussen ein Markt ist, der auf ihre Währung gewartet hat.

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