Ein Spiele-Entwickler fordert die Belegschaft auf, das eigene Spiel im Steam-Store zu bewerten – und der Plattformbetreiber listet das komplette Sortiment des Herstellers aus: Im Fall des maltesischen Studios Insel Games greift Valve mit außergewöhnlicher Härte durch.

[no_toc]Egal ob Amazon, Youtube, Appstores, Hotel-Vergleichsportale, IMDB oder Steam: „Ehrliche“ Bewertungen „echter“ Einkäufe durch „echte“ Kunden sind für die Betreiber von eCommerce-Websites von überragender Bedeutung. Je mehr „Reviews“ und je höher die Sterne- und Punkte-Wertungen, desto weiter oben platziert der Algorithmus das Produkt in Empfehlungs- und Ranglisten.

Doch ein solches System ist natürlich anfällig für Manipulationen aller Art – im positiven wie im negativen Sinne. Unter einzelnen Amazon-Produkten finden sich die Wertungen Dutzender, teils Hunderter Tester, die eine ganze Liste ähnlicher Artikel innerhalb auffällig kurzer Zeit mit Sternchen bewerten und generische Textbausteine hinterlassen. Vermeiden oder nachweisen lassen sich solche „Fake Reviews“ nur mit Mühe – für arglose Laien sind sie kaum von der Meinung echter Kunden zu unterscheiden.

Plattformbetreiber wie Steam untersagen den Spieleherstellern daher solche Praktiken, um die Glaubwürdigkeit des Systems nicht zu gefährden.

Insel Games: Steam nimmt alle Titel aus dem Sortiment

An einem konkreten, tendenziell minderschweren Fall hat Valve nun ein Exempel statuiert, das gleichsam eine abschreckende Botschaft aussenden soll.

Weil das Management des maltesischen Publishers Insel Games Ltd. die Belegschaft per E-Mail aufgefordert haben soll, das eigene Spiel auf Steam zu kaufen und eine Bewertung zu hinterlassen, hat die Plattform die Zusammenarbeit eingestellt und alle Titel ausgelistet – darunter „Guardians of Ember“ und das kurz vor Weihnachten 2017 gestartete Science-Fiction-Online-Action-Spiel „Wild Buster: Heroes of Titan“.

Der Vorgang kam überhaupt ans Licht, weil ein anonymer Informant einen Screenshot der entsprechenden E-Mail via Reddit veröffentlicht hat. In der internen Mail heißt es, dass „Wild Buster“ bislang nicht die Erwartungen erfüllt habe – was unter anderem daran läge, dass zu diesem Zeitpunkt nur sechs Bewertungen vorgelegen hätten.

Zwar könne niemand gezwungen werden, eine Wertung samt Text im System zu hinterlassen – allerdings würden die fehlenden Reviews in der Konsequenz Jobs kosten. Falls das Spiel scheitere, scheitere auch die Firma selbst. Wer der Aufforderung nicht nachkommen wolle, solle dies in Einzelgesprächen mit dem Chef begründen.

Valve beendet Geschäftsbeziehung mit Insel Games – vorerst

Die Echtheit des Wortlauts ist unstrittig – inzwischen liegt auch eine offizielle Entschuldigung der Firmenleitung von Insel Games vor. Demnach sei es nicht beabsichtigt gewesen, Mitarbeiter unter Druck zu setzen – vielmehr sei es darum gegangen, die Belegschaft für das Thema zu sensibilisieren.

Valve selbst spricht von „inakzeptablem Verhalten“, zumal nachweislich mehrere firmeninterne Steam-Konten bei Insel Games genutzt wurden, um die Bewertungen vorzunehmen. Dies sei ein klarer Verstoß gegen die „Review Policy“ von Steam, den man sehr ernst nehme. Die Geschäftsbeziehung werde daher beendet, wie es in der offiziellen Stellungnahme heißt.

Ein Kauf ist daher nicht mehr möglich – bestehende Kunden können die Spiele allerdings weiterhin nutzen.

Mittlerweile bietet Insel Games die beiden Spiele über einen eigenen Webshop an.

Valve kappt die Geschäftsbeziehungen zur Insel Games Ltd. Der Vorwurf: "review manipulation".
Valve kappt die Geschäftsbeziehungen zur Insel Games Ltd. Der Vorwurf: „review manipulation“.

Insel Games: Management sagt „Sorry!“ für umstrittene E-Mail

GamesWirtschaft hat Kontakt mit dem aus Deutschland stammenden Management aufgenommen. Die kleine Firma mit gerade einmal zehn festen Mitarbeitern wurde von der Wucht der weltweiten Berichterstattung infolge der Reddit-Enthüllung und den übellaunigen Reaktionen bis hin zu wüsten Beschimpfungen förmlich überrollt.

Der PR-Super-GAU hat das Studio unfreiwillig in die Schlagzeilen großer US-Websites gebracht, inklusive dem „Rolling Stone“-Magazin. Weil durch den Steam-Rauswurf der wesentliche Vertriebskanal wegbricht, ist die Vermarktung der Spiele nun schwieriger denn je.

Man werde jetzt daran arbeiten, die Titel weiter zu verbessern und schaue sich nach anderen Plattformen um. Bei Insel Games hofft man, das Vertrauen der Spieler zurück gewinnen zu können. Auch mit Steam habe man den Kontakt gesucht – ob es zu einem Comeback kommt, ist völlig offen.

In den Richtlinien warnt Valve eindringlich davor, Spiele-Bewertungen künstlich zu manipulieren.
In den Richtlinien warnt Valve eindringlich davor, Spiele-Bewertungen künstlich zu manipulieren.

Abhängigkeit von „User Reviews“ bleibt hoch

Der Vorgang zeigt wie unter dem Brennglas, wie abhängig gerade kleine Studios und Publisher vom Review-Algorithmus großer Plattformen sind. Selbst geringfügige oder fahrlässige Verstöße können – wie gesehen – die Auslistung und damit existenzbedrohende Einnahme-Ausfälle zur Folge haben. Die Sichtbarkeit im Markt sinkt dramatisch.

Gleichzeitig sind „Fake Reviews“ fraglos ein gravierendes Problem, quer durch die Branchen: So gehört es zu den am schlechtesten gehüteten Geheimnissen von Hollywood, dass Studios externe Agenturen beschäftigen, die pünktlich zum Filmstart für gefällige „user reviews“ sorgen und damit den Notenschnitt aufhübschen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es mit Insel Games einen denkbar schwachen Gegner getroffen hat. Es ist mindestens fraglich, ob eine vergleichbare Aktion eines internationalen Großkunden ähnlich drastische Maßnahmen nach sich gezogen hätte.