Mehr Euro pro Fan: Um die ehrgeizigen Wachstumsraten zu erreichen, sollen die Fans laut Deloitte eSports Studie 2016 besser „monetarisiert“ werden.

[no_toc]Dass der weltweite eSports-Markt von Rekord zu Rekord eilt, hat sich herumgesprochen. Weit spannender für hiesige Sponsoren und Investoren ist indes die Frage, wie sich der eSports in Deutschland weiterentwickelt. Genau dieser Frage haben sich die Unternehmensberatung Deloitte und der Branchen-Arbeitskreis BIU eSports gewidmet. Das Ergebnis ist die eSports Studie 2016 unter der Überschrift „Let’s play“.

Der 18seitige Report beschreibt unter anderem das eSports-Ökosystem und schildert, welche Unternehmen im eSports-Universum wie Satelliten um die begehrte junge, männliche, technik-affine, durchdigitalisierte Zielgruppe kreisen.

Gute Geschäfte versprechen sich zum Beispiel …

  • Streaming-/Plattformbetreiber wie Twitch, Azubu und Youtube Gaming
  • Spielehersteller wie Riot Games (League of Legends) oder Activision Blizzard (Call of Duty, Hearthstone)
  • Hardware-Hersteller wie Asus und Nvidia
  • Event-Agenturen sowie
  • Hallen-/Stadion-Betreiber, die sich jenseits von ESL One und Gamescom weitere Live-Events wünschen.

So gibt es derzeit pro Jahr nur eine Handvoll relevanter Großveranstaltungen in Deutschland. Die 30.000 Vor-Ort-Besucher des größten E-Sports-Einzelevents dieses Jahres – der ESL One in Frankfurt – entsprechen dem Zuschauerschnitt eines Heimspiels von Mainz 05 oder Bayer Leverkusen.

Vor diesem Hintergrund ist auch der eSports-Einstieg des FC Schalke 04 zu sehen, der die vereinseigene Veltins-Arena regelmäßig zum Schauplatz von Meisterschaften machen möchte.

eSports Studie 2016: 130 Millionen Euro Umsatz bis 2020

Die Autoren der eSports Studie 2016 gehen davon aus, dass linear jedes Jahr 20 Millionen Euro Umsatz hinzukommen – von derzeit 50 Millionen Euro (2016) auf 130 Millionen Euro (2020). Damit würden, so die Studie, traditionelle Sportarten wie Handball und Basketball auf der Umsatzseite links überholt.

Der Vergleich hinkt hier natürlich insofern, als dass der gesamte eSports-Umsatz dem Umsatz der jeweiligen Profi-Ligen gegenübergestellt wird – der Amateur-Bereich fällt unter den Tisch. Dabei sind alleine im Handballbund 770.000 Mitglieder organisiert, beim DFB sind es fast zehn Mal so viele.

Zur Einordnung: Wenn die 130 Millionen Euro erreicht würden, wäre der gesamte deutsche eSports-Markt in vier Jahren ungefähr so groß wie der Umsatz von Electronic Arts Deutschland oder eines mittelgroßen Bundesligisten, etwa des Hamburger SV.

Doch das Hauptargument für Investoren und Werbekunden ist gar nicht so sehr das letztliche Marktvolumen. Es sind vielmehr die Wachstumsraten – die aufgrund der relativ jungen Branche zwangsläufig deutlich spektakulärer ausfallen als bei Freizeitbeschäftigungen mit jahrzehntelanger Tradition.

Die eSports Studie 2016 geht von einem Umsatzsprung auf 130 Mio. Euro im Jahr 2020 aus.
Die eSports Studie 2016 geht von einem Umsatzsprung auf 130 Mio. Euro im Jahr 2020 aus.

Trikots, Tickets und TV: Die Umsatz-Säulen des eSports

Die optimistischen Prognosen von Deloitte lassen sich auf zwei wesentliche Annahmen herunterbrechen: erstens mehr Fans – und zweitens mehr Euro pro Fan.

Zum einen soll schlicht die Zielgruppe größer werden, sprich: Die Zuschauerschaft wächst aus der Nische in den Mainstream, getrieben unter anderem von Free-TV-Übertragungen der einschlägigen Events (wenngleich sich der Zuspruch bislang in Grenzen hält). Als Vorbild bei der TV-Auswertung gelten Snooker und Darts, die sich vom mitternächtlichen Geheimtipp-Format in die Prime Time von Sport1 und Eurosport vorgearbeitet haben.

Außerdem hofft man, dass nach Schalke 04 und VfL Wolfsburg weitere Fußballbundesligisten den eSports-Kreis erweitern und sich von den Anlaufschwierigkeiten nicht einschüchtern lassen. Damit steigen fast automatisch Reichweite und parallel Sponsoren-Einnahmen der Profi-Teams.

FC Schalke 04: eSports-Abteilung will vorhandene Sponsoren überzeugen

Schalke 04 eSports-Chef Tim Reichert gibt im Deloitte-Interview zu Protokoll, dass man vorhandene Schalke-Fußball-Partner angesprochen habe, ob sie auch beim eSports dabei sein wollen. Zu den Schalke-Sponsoren gehören unter anderem Gazprom, Tönnies („Tillman’s“) und Veltins. Ein potenzieller Partner ist zum Saisonende 2015/2016 weggefallen: Volkswagen hat den Sponsorvertrag mit Schalke 04 wegen Sparmaßnahmen im Zuge der Dieselaffäre nicht verlängert.

eSports in der Bundesliga: Nur Schalke und Wolfsburg treten bislang mit eigenen Teams an.
eSports in der Bundesliga: Nur Schalke und Wolfsburg treten bislang mit eigenen Teams an.

Die Gelsenkirchener versprechen sich zudem Abstrahleffekte bei der Internationalisierung des Klubs, insbesondere auf den amerikanischen und asiatischenn Märkten.

Laut der eSports Studie 2016 bereiten derzeit weitere Fußball-Bundesligisten ihren Einstieg vor. Nach Informationen von GamesWirtschaft gelten Hoffenheim, Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach als heißeste Kandidaten, während die ebenfalls stark interessierten, aber latent abstiegsbedrohten Vereine aus Ingolstadt und Hamburg derzeit mutmaßlich andere Prioritäten setzen.

Schalkes Erzrivale Borussia Dortmund hatte einer eigenen eSports-Abteilung erst in der vergangenen Woche eine unmissverständlich deutliche Absage erteilt.

eSports-Branche setzt auf zunehmende Akzeptanz neuer Bezahlangebote

Die zweite wichtige Säule besteht in der Optimierung der Erlöse pro Fan – durch Eintrittskarten, Merchandising (Trikots, Caps etc.) und insbesondere Entgelte für Live-Übertragungen, so wie es im Fußball üblich ist.

„Deutlich ausbaufähig“ seien zum Beispiel die Erlöse in Form von „Premium-Content“. Bislang seien fast alle Events über die entsprechenden Plattformen kostenlos abrufbar – die Studie stellt fest, dass die Zuschauer „lediglich für werbefreies Streaming zur Kasse gebeten werden.“

Die zunehmende, Professionalisierung und das steigende Zuschauerinteresse machten „eSports-Übertagungen zu idealen Premium-Inhalten.“

Ab 2018 seit zu erwarten, dass „die Zuwächse weniger durch eine größere Community, als vielmehr durch die Akzeptanz neuer Bezahlangebote generiert werden. Jedoch gelingt den Anbietern dann zunehmend die Monetarisierung der treuen eSports-Fanbasis.“

„Wir lieben den Sport – und wir lieben die Sport-Fans.“

Ein besonders großes Stück vom eSports-Kuchen landet schon jetzt beim Kölner Ligen- und Turnier-Veranstalter Turtle Entertainment, Betreiber der ESL. Die Mehrheit am Unternehmen wurde 2014 für 78 Millionen Euro an den schwedischen Medienkonzern Modern Times Group (MTG) verkauft, der zudem erst vor kurzem beim Hamburger Free2play-Spezialisten InnoGames eingestiegen ist.

Vor der Übernahme wies Turtle einen Verlust aus, 2015 ist ein Gewinn eingeplant – die Umsätze sollen auf 50 Millionen Euro steigen. Gelingen soll dies, indem die Kunden mehr ausgeben. MTG-CEO Jørgen Madsen Lindemann hat ausgerechnet, dass der durchschnittliche eSport-Zuschauer knapp zwei US-Dollar pro Jahr in sein Hobby investiert – bei etablierten Sportarten seien es 56 Dollar für Tickets, Trikots und TV-Gebühren.

Hier ist also noch richtig viel Luft nach oben. Oder wie es Lindemann formuliert: „Wir lieben den Sport – und wir lieben die Sport-Fans.“

Weitere Informationen rund ums Thema eSport finden Sie in folgenden Beiträgen: